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Kino Kulinarisch

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AuszugIl Timballo –––– ein Vorwort von Stefan Gey Il Timballo ist ein sehr traditioneller und fast vergessener Nudelauflauf aus dem südlichen Italien mit einer vielfältigen Füllung aus Hackfleischbällchen, Hühnerleber, Schinken, Eiern, Trüffeln und anderem – zusammen mit prägnanten Beigaben wie Zimt und Zucker. In zwei sehr eindrucksvollen Kinofilmen spielt er eine eigene Rolle: In Der Leopard von Luchino Visconti (1963) und in Big Night von Campbell Scott und Stanley Tucci (1996). Beide Filme weisen dem Nudelauflauf eine hohe symbolische Bedeutung zu. Der Timballo ist das verehrte Relikt eines zusammenbrechenden sozialen Gefüges, dessen Wirksamkeit sich bereits dramatisch aufgelöst hat und das eigentliche Thema der Filme ist. Das Anschneiden des Timballos geschieht mit dem Eingeständnis, dass die gewohnte soziale Epoche zu Ende gegangen ist. „L’oro brunito dell’involucro, la fragranza di zucchero e di cannella che ne emanava non erano che il preludio della sensazione di delizia che si sprigionava dall’interno quando il coltello squarciava la crosta: ne erompeva dapprima un vapore carico di aromi, si scorgevano poi i fegatini di pollo, gli ovetti duri, le sfilettature di prosciutto, di pollo e di tartufi impigliate nella massa untuosa, caldissima dei maccheroncini corti cui l’estratto di carne conferiva un prezioso color camoscio.“ Auch das Kino ist starken Umbrüchen ausgesetzt. Traditionelle Kinosäle sind zum größten Teil verschwunden. Heimische Bildschirme und nun auch portable Geräte ersetzen das gemeinschaftliche Erlebnis Film. Diese Individualisierung gilt auch für die Essensgewohnheiten. Und die Produzenten passen sich den Trends an: leichte Kost, industriell gefertigt und vorgegart. Zum Glück gibt es hier wie da auch Gegenbewegungen. In der Gemeinschaft Filme anzuschauen, hat dennoch einen eigenen Reiz behalten und ebenso ist die Lust, gemeinsam zu essen, nicht verschwunden. Daniel Brettschneider hat es mit seinen erfolgreichen Kino- aktivitäten bewiesen. Und die Verbindungen von beiden als Kino Kulinarisch ist hier am erfolgreichsten. Wenn wir uns nach den Gründen für den Wunsch nach kollektivem Erleben fragen, steht uns einer einfachen Antwort das Paradoxon entgegen, dass es nahezu unmöglich ist, das Empfinden des Nachbarn beim Betrachten eines Films nachzuvollziehen. Den einen sprechen eher die schauspielerischen Leistungen an, den anderen die Bilder. Die Story selbst berührt ohnehin jeden an unterschiedlichen Punkten – abhängig von der eigenen Lebenserfahrung. Beim Essen ist es nicht viel anders. Das Geschmacksempfinden ist physiologisch individuell und variiert mit Gewohnheiten und Prägungen. Vielleicht besteht der besondere Zauber des gemeinsamen Erlebens ja gerade darin, diese Fragen gar nicht auflösen zu müssen, sondern vielmehr in der selten gewordenen Freiheit, für das gemeinsam wohlig Erlebte auf eine verbindliche Rückversicherung verzichten zu dürfen. Dieses Buch von Daniel Brettschneider anzuschauen, zu lesen, das ist wie das Anschneiden eines Timballos. Ihm entströmt der Duft der Vergangenheit, aber auch die komplexen Aromen und Details, die uns bewusstes Genießen immer neu erschließen. Guten Appetit und Vorhang auf!

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ISBN
9783939537557

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Publikation

2019, hardcover

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