Die Memelkultur in der Römischen Kaiserzeit
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Archivalien unterschiedlichster Art und Aussagekraft stellen für die archäologische Forschung unverzichtbare Quellen der Datenerhebung und -auswertung dar. Das betrifft alle Archäologien, alle Zeitschichten und alle Forschungsregionen. Doch für kaum eine zweite Forschungslandschaft sind die Unterlagen ähnlich wichtig wie für die vor- und frühgeschichtliche Archäologie jener Länder und Großräume, die mit erheblichen oder gar vollständigen Verlusten von Informationsträgern während des Zweiten Weltkrieges konfrontiert sind. Dem ehemaligen Ostpreußen kommt dabei eine besondere Rolle zu, sind doch Funde und Archivalien aus ihrem ursprünglichen Aufbewahrungsort, dem ehemaligen Königsberg, heute Kaliningrad, fast vollständig verlagert. Einen wichtigen Bestand bilden hierbei jene Unterlagen, die Herbert Jankuhn (1905–1990) in den späten 1920er Jahren erstellte und die sich über den Krieg hinweg in seinem Besitz befanden. Es ist ein besonderer Glücksfall, dass mit Rasa Banytė-Rowell eine litauische Wissenschaftlerin gewonnen werden konnte, um jenen Teil aus dem Jankuhn-Archiv zu bearbeiten, der das Memelgebiet betrifft. Hier nahm Herbert Jankuhn einen umfangreichen Bestand zur älteren Römischen Kaiserzeit auf, der wichtige Einblicke in die kulturelle Entwicklung dieser Region in den ersten Jahrhunderten n. Chr. gewährt. Die Autorin hatte sich bereits über viele Jahre mit der Archäologie der kaiserzeitlichen Memelkultur befasst und konnte so den außergewöhnlich hohen Quellenwert der Unterlagen H. Jankuhns modern und weiterführend auswerten. Das vorliegende Werk präsentiert so einen umfassenden Einblick in die älterkaiserzeitliche Archäologie des ehemaligen nördlichen Ostpreußens am Unterlauf der Memel bis hin zu den aktuellen Ergebnissen insbesondere der litauischen Forschung. Die Autorin gewährt uns aber auch einen Einblick in die besondere Forschungssituation und -geschichte einer Grenzregion im ersten Drittel des 20. Jhs., in der die Memel als Grenzfluss eine Demarkationslinie zwischen Ostpreußen und Litauen bildete. Diese Grenze war zwar kulturell durchlässig, politisch-militärisch aber umstritten. So fügt sich die archäologische Forschung in jene Zeitläufte ein, die die Geschichte des 20. und frühen 21. Jahrhundert bestimmten und noch heute bestimmen.