Alfred Tschulnigg zum 100. Geburtstag
Autoren
Mehr zum Buch
Vorwort der Verfasserin Alfred Tschulnigg (1919–1999) war ein vielseitiger Mensch. Als Mitbegründer und späterer Kustos des Pinzgauer Heimatmuseums Schloss Ritzen in Saalfelden beteiligte er sich maßgeblich am Aufbau der Sammlungen und an der Entstehung des Hauses in der heutigen Form. Er gehörte zu einer Gruppe engagierter Saalfeldener, die ab den 1950er Jahren die regionale Volkskunst in all ihren Ausprägungen aufspürten und für die Nachwelt bewahrten. Als Malermeister führte er einen florierenden Betrieb, als Fassmaler und Vergolder war er prädestiniert für Kirchenrestaurierungen, die er in enger Zusammenarbeit mit dem Bundesdenkmalamt ausführte. Für Tschulnigg war der Begriff „Heimat“ mit jahrelanger Sehnsucht aufgeladen, als er erst spät, im Jahr 1947, aus sowjetischer Gefangenschaft heimkehrte. Die daraus resultierende Liebe zu allem, was ihm diese Heimat bedeutete, prägte fortan seine Haltung. Auf seinen Wanderungen hielt er die Natur und die Berge in Aquarellen fest, bei deren Betrachtung deutlich wird, wie sehr die landschaftlichen und baulichen Eingriffe den Siedlungsraum Saalfelden seit damals verändert haben. Die wirtschaftliche Notwendigkeit, nach dem Abzug der amerikanischen Besatzungstruppen 1955 den Tourismus anzukurbeln, ging Hand in Hand mit dem Streben nach Verschönerung. Neu errichtete und bestehende Gebäude sollten ein repräsentatives, individuelles oder auch werbewirksames Aussehen bekommen. Alfred Tschulnigg wurde Spezialist für Sgraffiti und Wandmalereien, entwickelte einen eigenen Stil und gab durch seine Fassadengestaltungen Hunderten von öffentlichen und privaten Gebäuden ein Gesicht. Jahrzehntelang prägte er mit seinen Wandbildern, Fensterumrahmungen und Hausbeschriftungen das Erscheinungsbild vieler Pinzgauer Ortschaften. Sein überdurchschnittlicher Sinn für Farben und Proportionen war über Salzburg hinaus auch in Bayern und bis Frankfurt gefragt. Viele Zeugnisse der Kunst im öffentlichen Raum, die Tschulnigg in mehr als vierzig Jahren geschaffen hat, sind trotz ihrer Bedeutung als regionales Kulturerbe in den letzten Jahren Sanierungen und Abrissen zum Opfer gefallen, einige sind aktuell akut gefährdet. Christian Fuchs hat Alfred Tschulniggs Nachlass vorausblickend erworben. Das aus weit über 1300 Einzelblättern bestehende Konvolut wurde nun aufgearbeitet, um Tschulnigg zu seinem 100. Geburtstag mit einer Ausstellung und Publikation würdigen zu können. Diese Aufgabe, die mir zufiel, bereicherte mich in vielerlei Hinsicht. Vor allem öffnete sie mir die Augen, denn bald ging ich mit neugierigem Blick auf der Suche nach Tschulniggs Fassadengestaltungen durch Saalfelden (und später auch durch andere Pinzgauer Orte). Die damit verbundene Entdeckerfreude wünsche ich allen, die sich auf die Spuren von Alfred Tschulnigg begeben! Ingrid Radauer-Helm