Faschistisches Bildungssystem in Deutschland zwischen 1933 und 1989
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Die immer wieder aufgetretenen Mißverständnisse über das Wesen, die Strukturen und die Herrschafts- und Reproduktionsmechanismen totalitärer Herrschaft sind besonders evident, zumal sich häufig die angewandten personalistischen Deutungsmuster bereits nach kurzer Frist als wenig aussagekräftig oder gar prognosefähig erwiesen. Selbst kundige Kritiker der nationalsozialistischen Herrschaft waren bei erwartungsvollen Bewertungen der Entwicklungen in noch existierenden, totalitären Staaten nicht immun vor personell orientiertem Wunschdenken und Opfer des „Prinzips Hoffnung“. So scheint es erforderlich zu sein, grundsätzliche und generalisierbare Charaktermerkmale totalitärer Herrschaft zu erfassen und einsichtig zu machen. Mit dem „Dritten Reich“ und der „Deutschen Demokratischen Republik“ bieten sich zwei historische Untersuchungsgegenstände an, die deutliche Erkenntnisse über die Merkmale und Eigenarten des realen Totalitarismus, aber auch über vorhandene Übereinstimmungen und Abweichungen geben können. In diesem Zusammenhang prüft Ottensmeier auch, ob dort, wo auf das NS-Regime das SED-Regime folgte, Elemente politischer und herrschaftstechnischer Kontinuität zu erkennen sind. Ein vollständiger Vergleich der beiden totalitären Staaten in Deutschland, die überdies beide einen sozialistischen Anspruch geltend machten, müsste entweder zu umfangreich werden oder zu oberflächlich und wenig anschaulich bleiben. Deshalb will Ottensmeier einen besonders typischen und exemplarischen Bereich untersuchen. Unter dieser Perspektive bietet sich aus dem Zusammenhang der totalitären Reproduktion die schulische Erziehung an, wobei der Geschichtsunterricht als besonders ideologieintensives Fach in den Vordergrund gestellt wird. Der Geschichtsunterricht ist der Ort, wo sich totalitäre Herrschaftstechnik und monokausale Ideologie klar erkennbar zur totalitären Erziehung legieren.