Faszination des Organischen
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Die metaphorische Wunschvorstellung des Organischen ist seit der Aufklärungszeit in der Literatur- und Geistesgeschichte lebendig geblieben. Die spätestens im 20. Jahrhundert evident gewordene Willkürlichkeit, Absolutheit und Ideologieanfälligkeit jeglichen synthetischen Organismusdenkens hat den historischen Blick für die diversen Erscheinungsweisen und Legitimationsstrategien des Organischen seit der Kunstperiode um 1800 geschärft. Schon zur Goethezeit verheißt die Verherrlichung des Organischen Rettung vor dem Mechanischen, Stärkung des Individuums nach innen gegen die äußeren Zwänge der modernen Welt und individuelle Bewahrung der Innerlichkeit vor Anonymität und Entfremdung. Die Ideen von Ordnung im Chaos und von Homogenität statt maßloser Pluralität behalten bis heute ihr Faszinierendes. Das den Ganzheitsdiskurs motivierende Organische wirkt, integrierend oder ausschließend, als regulative Macht; Abwehr oder Verfolgung des Fremden lassen sich immer auch organologisch begründen. Dieser Faszination des Organischen in der Literatur- und Geistesgeschichte seit dem 19. Jahrhundert gehen die Beiträge dieses Bandes an jeweils konkreten Einzelbeispielen genauer nach. Entstanden ist ein wichtiges und aspektreiches kulturwissenschaftliches Buch, dessen Ertrag die geistige Debatte der Gegenwart mit Gewinn aufzunehmen hätte. Scherpe, K. R.: Zur Faszination des Organischen. Eine Vorbemerkung / Gebhard, W.: Die Erblast des 19. Jahrhunderts. Organismusdiskurs zwischen Goethes Morphologie und Nietzsches Lebensbegriff / Janz, M.: „Die Frau“ und „das Leben“. Weiblichkeitskonzepte in der Literatur und Theorie um 1900 / Eggert, H.: Vom Reich der Seele: Mystiker und Mythologen des Geistes, des Blutes und der Technik. Prosa um 1910 / Sprengel, P.: Künstliche Welten und Fluten des Lebens oder: Futurismus in Berlin. Paul Scheerbart und Alfred Döblin / Prange, R.: Kunstwollen und Bauwachsen. Zum Mimesiskonzept in Bruno Tauts Architekturphantasien / Prümm, K.: Die beseelte Maschine. Das Organische und das Anorganische in der „Kino-Debatte“ und in der frühen Filmtheorie / Lethen, H.: Verhaltenslehren der Kälte. Helmuth Plessners Anthropologie der zwanziger Jahre / Kittler, F.: Benns Lapidarium / Segeberg, H.: Technikverwachsen. Zur , organischen Konstruktion' des , Arbeiters' bei Ernst Jünger / Schütz, E.: „. verankert fest im Kern des Bluts“. Die Reichsautobahn - mediale Visionen einer organischen Moderne im , Dritten Reich' / Denkler, H.: Organische Konstruktion. Natur und Technik in der Literatur des , Dritten Reiches' / Hörnigk, F.: Bilder des Organischen in der DDR-Literatur. Eine Beispielsreihe aus vier Jahrzehnten