Zwischen Anpassung und Konfrontation
Autoren
Mehr zum Buch
Frauen sollen in der männlich strukturierten Berufswelt höheren Leistungsanforderungen genügen als ihre Kollegen, geringere Erfolgschancen in Bezug auf Aufstieg, Gehalt und Sozialprestige in Kauf nehmen und dabei körperlich-ästhetisch und emotional männlichen Phantasien von traditionell verstandener Weiblichkeit entsprechen. Zudem sollen sie ohne Entlastung weiterhin für Familie und Haushalt verantwortlich bleiben. Diese Zuschreibungen sind Ausdruck einer sich in betrieblichen und privaten Strukturen verselbstständigten Macht von Männern: diese Macht wird durch entgegengesetzt angelegte Geschlechtscharaktere aufrechterhalten, die aus der Arbeitszuteilung auf die Bereich Familie und Beruf resultieren. Unter Bezugnahme auf die psychoanalytische Theorie der Abwehrmechanismen wird gezeigt, dass die Typik des weiblichen Geschlechtscharakters identisch ist mit der Wirkungsweise einiger Abwehrmechanismen. Dadurch ist es möglich zu verstehen, wie einzelne Merkmale des Geschlechtscharakters zustande kommen und unter welchen Bedingengen sie funktionieren. Ausgangspunkt der vorliegenden Studie ist die Vorstellung, dass sich die Gestaltung von Privat- und Berufsleben in ihrer derzeitigen Polarität verändert, wenn ihre strukturelle Zuordnung zu den Geschlechtern aufgehoben ist. Eine Gruppe, die diese Zuordnung in Frage stellt, findet sich bei den hoch qualifizierten Frauen, die einerseits qua weiblicher Sozialisation Orientierungen und Fähigkeiten für die Privatsphäre erworben haben und andererseits durch ihre berufliche Qualifizierung verantwortlichen Anteil am Berufsleben nehmen. Diese hoch qualifizierten Frauen üben Kritik an den Geschlechterzuschreibungen und zeigen Zutrauen in die eigenen Fähigkeiten; sie übernehmen die männlichen Normen weder als Leitlinien ihres beruflichen Handelns noch in ihrer impliziten Abwertung des Weiblichen; sie streben auch keine Verbindung der zwei durch Geschlechterzuschreibungen konstruierten Identitäten an, sondern eine Identität, die von den eigenen Stärken, Schwächen und – von anderen unabhängigen – Orientierungen gebildet wird. Unter Aufgabe ihrer Selbstbescheidung entwickeln sie Einsichten und Handlungskompetenzen, die dazu führen, dass sie sich verstärkt als Subjekte ihrer Handlungen begreifen und Unabhängigkeit von geschlechtsrollentypischen Zuschreibungen und Abwehrmechanismen erlangen.