Von "wilden" Kindern
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Die Studien dieses Bandes befassen sich sowohl mit isoliert aufgewachsenen Kindern, sogenannten wilden Kindern, als auch mit Kindern, deren Herkunftskultur in eurozentristischer Manier als wild bezeichnet werden. Die vorliegenden Studien befassen sich mit unkonventionellen pädagogischen Verhältnissen. Dies soll mit dem Attribut wild signalisiert werden. Im Deutungszusammenhang wild/unkonventionell sind zwei Diskussionslinien miteinander verknüpft. Die erste davon meint Erziehungsversuche mit Kindern, deren Entwicklung durch Isolation beeinträchtigt wurde. Bis heute bezeichnet man sie gern als wilde Kinder. Isolation von der menschlichen Umwelt lege, so nahm man an, einen ursprünglichen menschlichen Zustand offen, den man fälschlicherweise als Wildsein apostrophierte. Pädagogisch grundlegend ist hier die Frage, wie Erzieher mit Zöglingen umgehen oder umgegangen sind, deren Deprivationen auf Isolation zurückzuführen sind. Die zweite Kategorie firmiert eher unter der Rubrik Kinder von Wilden, insoweit es sich um Erziehungsverhältnisse handelt, die außerhalb europäischer Traditionen liegen. Das Kontinuum-Konzept der Amerikanerin Jean Liedloff z. B. suggeriert, daß der bei den Yequana am oberen Orinoko beobachtete Habitus der Ausgeglichenheit und Selbstsicherheit auf das Tragen der Kinder im frühen Alter zurückzuführen sei. Pädagogisch grundlegend ist hier die Frage, welche Bedeutung dem kulturellen Kontext bei der Entwicklung des spezifischen Habitus zukommt. Ein anderes Beispiel problematisiert Erziehungs- und Sozialisationsverhältnisse am Beispiel der Autobiographien dreier zeitgenössischer Indianer (sogenannter Wilder?) aus drei verschiedenen Kulturarealen mit der Frage, welche Rolle der subjektive Zugriff von Individuen bei ihrer eigenen Entwicklung und kulturellen Selbstfindung spielt. InteressentInnen: Pädagogen, Studenten der Pädagogik, Lehrer.