Das Prinzip des Agamemnon
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Agamemnon, der sagenumwobene Feldherr der Griechen, opferte seine Tochter Iphigenie den Göttern, um günstige Winde für seine Flotte gegen Troja zu erbitten. Auf archaische Weise gestaltet dieser Mythos ein kulturell bis heute tief verankertes väterliches Prinzip: die Indienstnahme, Ausbeutung, Opferung der Tochter für die Interessen das Vaters. Das „Prinzip des Agamemnon“ erhält seine fatale Wirksamkeit aber erst dadurch, daß die Tochter sich mit den Bedürfnissen des in Nöten steckenden Vaters identifiziert. Nur wenn die Tochter, wie Iphigenie, sich ganz mit den Idealen des Vaters einverstanden erklärt, wenn sie dessen Schwäche gegenüber der Macht seiner eigenen Prinzipien „erkennt“, erst dann ist sie geeignet, sich für ihren Vater - und später für „Ersatzväter“ - aufzuopfern. Paradoxerweise erscheint ihr dies am Ende als Selbsterhöhung und eigentliche Bestimmung ihres Lebens. Die hier nacherzählten und gedeuteten Töchterschicksale „im Namen des Vaters“ stammen aus mehr als zweitausend Jahren abendländischer Kulturgeschichte. In ihnen begegnen uns verschiedene zeit- und kulturgemäße Ausformungen der väterlichen Neigung, die Töchter für die eigenen Bedürfnisse zu manipulieren, zu benutzen, zu opfern. In Mythos und Märchen, in Roman und Novelle, in Drama und Spielfilm ist das „Prinzip des Agamemnon“ immer wieder neu dargestellt worden. Das zeigt seine Wirksamkeit bis heute. Auch, und vielleicht erst recht, seit mit der Männer- auch die Vaterrolle zu verwässern droht.