Vertretbare Sachen?
Autoren
Mehr zum Buch
Der in § 91 BGB definierte Begriff der vertretbaren Sachen spielt im deutschen Privatrecht eine erhebliche Rolle: Vertretbare Sachen sind Gegenstand des Darlehens (§ 607 I BGB) und der Anweisung (§ 783 BGB); die Anwendbarkeit von Kauf- oder Werkvertragsrecht auf den Werklieferungsvertrag bestimmt sich danach, ob vertretbare Sachen herzustellen sind (§ 651 I 2 BGB). Auch für die Abwicklung der Minderung (§ 473 S. BGB) und für die Einbringung von Sachen in eine Gesellschaft (§ 706 II BGB) hat die Kategorie der vertretbaren Sachen Bedeutung. Hingegen ist der Begriff anderen europäischen Rechtsordnungen entweder ganz fremd, oder er wird nicht scharf von den Nachbarkategorien der verbrauchbaren Sachen und der nur der Gattung nach bestimmten Sachen abgegrenzt. Der Autor verfolgt den Begriff der vertretbaren Sachen - ausgehend vom antiken römischen Recht, das die in § 91 BGB übernommene Definition res, quae pondere numero mensura constant geprägt hat - über das römische und kanonische Recht des Mittelalters und der frühen Neuzeit sowie die Pandektistik des 19. Jahrhunderts bis zur Entstehung des BGB. Er zeigt, daß der Begriff in der Tradition der kontinentaleuropäischen Rechtsordnungen vor dem 19. Jahrhundert nie scharf von seinen Nachbarkategorien getrennt wurde. Ausgehend von dieser Erkenntnis überprüft Rüfner die Vorschriften des geltenden Rechts, die den Begriff verwenden. Aufgrund historischer und rechtsvergleichender Untersuchungen zu jeder einzelnen Bestimmung zeigt sich, daß die Kategorie der vertretbaren Sachen im BGB ein Störfaktor ist: In jeder der Vorschriften führt sie zu Interpretationsproblemen. Diese lassen sich nur lösen, wenn man auf eine einheitliche Bestimmung des Begriffs vertretbare Sachen verzichtet. Insofern ist die Kategorie der vertretbaren Sachen im heutigen Recht entbehrlich geworden. Die Arbeit wurde ausgezeichnet mit dem Fakultätspreis der Juristischen Fakultät Tübingen für die beste Promotion des Studienjahres 1997/98.