Kunstanalyse
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Seit Sigmund Freuds Überlegungen zu einer psychoanalytischen Kunsttheorie, den Ergänzungen und Korrekturen durch Otto Rank, Anton Ehrenzweig, Ernst Kris, Sarah Kofman, Richard Kuhns, Hartmut Kraft u. a. ist die Diskussion psychodynamischer und kulturpsychologischer Bedingungen von produktiver und rezeptiver ästhetischer Erfahrung heute aktueller denn je. Die Kunstwissenschaften öffnen sich jedoch nur langsam dem im 20. Jhdt. gesammelten und fortentwickelten Wissen der Psychoanalyse, Psychotraumatologie, Bio-Psychologie und Psychohistorie. Die Kunstanalyse wird als eine neue Rezeptionsebene von Kunst vorgestellt, die das Hauptproblem aller derzeitigen psychologisch-ästhetischen Denkansätze, nämlich die Integration sinnlich-emotionaler Erkenntnisebenen als Objektbeziehungsebenen in eine Theorie ästhetischen Verhaltens zum Thema macht und Lösungen vorschlägt. Jedes ästhetische Verhalten ist komplexes Beziehungsverhalten. Die Erkenntnisse der psychologischen Bindungsforschung, der empirischen Säuglingsforschung, der prä- und perinatalen Psychologie und der Psychoneuroendokrinologie von Schwangerschaft und Geburt in den letzten zwanzig Jahren erlauben die Berücksichtigung der gesamten Ontogenese als ästhetischen Erfahrungsraum und damit als Basis individueller und kollektiver ästhetischer Erfahrung. Am Beispiel von Cezanne, Picasso, Miró und Beuys wird entwickelt, wie Kunst immer auch aus der Bearbeitung von frühen und frühesten Bindungs- und Beziehungsmustern entsteht, deren Integration konstruktiv für die je eigene Individuation genutzt wird, so dass archaisch-innovative Bildsprachen gefunden werden können, die in ihrer ästhetischen Prägnanz und ihrer emotionalen Tiefe eine überaus emanzipatorische Wirkung für die Gesellschaft entfalten.