Numine afflatur
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Die Untersuchung befasst sich mit frühen Ansätzen zu einer „Psychologie“ des dichterischen Schaffens im Grenzbereich zwischen Theologie, neuplatonischer Metaphysik, Literaturtheorie, Humoralphysiologie und astrologischer Kosmologie: Vom „bibeltheologischen“ Modell der dichterischen Inspiration, nämlich dem Bemühen früher Humanisten, vorchristliche antike Autoren als Instrumente im Dienste der göttlichen praeparatio evangelica zu begreifen, bis zu der in den Traktaten De dignitate hominis als Kriterium der Gottes-ebenbildlichkeit diskutierten Frage der menschlichen Kreativität, und von Marsilio Ficinos Lehre vom furor poeticus als zugleich „himmlischer“ Anregung und menschlicher Aspiration bis zu seiner spiritus- und genius-Theorie und seiner Aufwertung der Melancholie als Bedingung „genialer“ Leistung. Die Abhängigkeit deutscher Humanisten vom italienischen Neuplatonismus wird u. a. anhand von Deutungen des Ovidischen Est Deus in nobis in der deutschen Humanisten-Dichtung, etwa in Conrad Celtis’ Ad Sepulum Disi-daemonem, nachgewiesen. Neben detaillierte Analysen von Joachim Vadians De Poetica und Paul Melissus Schedes Gedicht Ad Genium Suum treten allgemeinere Reflexionen über die epochetypische produktionsästhetische Rolle der Muse des neulateinischen poeta doctus zwischen „vertikaler“ und „horizontaler“ Inspiration, und über das „Spiel“ deutscher Humanisten mit traditionellen Inspirations-Topoi im Rahmen der imitatio antiquorum und der translatio studii.