Perspectives of scholarly editing
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Editionen haben in der wissenschaftlichen und kulturellen Öffentlichkeit unbestritten eine wichtige Funktion. Sie tragen dazu bei, einen u. U. vergessenen Text oder ein Werk im jeweiligen zeitgeschichtlichen Gedächtnis zu positionieren oder zu repositionieren. Die wissenschaftliche Edition ist damit kein bloß dokumentierendes Dienstleistungsunternehmen, sondern verfolgt vielmehr die Aufgabe, die Geschichtlichkeit von Texten zu bewahren und damit auch Geschichte zu interpretieren. Daher hatten Editionen immer auch eine herausragende gesellschafts- und kulturpolitische Bedeutung. Galten Editionen seit dem 19. Jahrhundert in vielen europäischen Ländern nicht selten als große nationale Kulturdenkmäler, so verstehen wir sie heute als Teil des lebendigen kulturellen Gedächtnisses und zugleich als unverzichtbare Grundlage der wissenschaftlichen Beschäftigung mit Texten. Gerade in den letzten vier Jahrzehnten des 20. Jahrhunderts sind nicht nur in der Literaturwissenschaft, sondern auch in anderen Disziplinen viele wichtige Texteditionen erarbeitet worden, die die Voraussetzung für die Herstellung eines gesicherten Textes erst geschaffen haben. Dennoch stehen Editionen immer wieder auf dem kritischen Prüfstand eben dieser Öffentlichkeit. Daher ist es sinnvoll, von Zeit zu Zeit die Ergebnisse der Editionswissenschaft – auch im internationalen Kontext – zu überprüfen und Perspektiven für die Zukunft zu formulieren. Dieses Anliegen verfolgt der vorliegende Band, der auf eine Tagung zurückgeht, die das Constantijn Huygens Instituut (Den Haag) und das Lehrgebiet Deutsche Sprache und Kultur der Vrije Universität Amsterdam gemeinsam durchgeführt haben. Sämtlichen Beiträgern war es zudem ein Anliegen, daß die Erörterung theoretischer und praktischer Positionen nicht mehr vor den nationalen Grenzen halt machen darf. Probleme und Ziele sind vergleichbar, obwohl die einzelnen nationalen Traditionen in der jeweiligen Sicherung der kulturellen Überlieferung oftmals nicht verschiedener sein könnten und in der Vergangenheit viele kontroverse Diskussionen ausgelöst haben. Die im vorliegenden Band dokumentierte Tagung ist ein Schritt, diesem multinationalen Dialog eine Grundlage zu geben.