Akteure, Institutionen und Standardumsetzung
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Standardisierung ist eine zentrale Aktivität in industrialisierten Gesellschaften. Dennoch werden die Prozesse der Umsetzung von Standards – und dabei besonders von Kompatibilitätsstandards – immer noch wenig verstanden und kaum theoretisch erforscht. Die Umsetzung von Kompatibilitätsstandards wird meist vereinfacht als Koordinationsspiel dargestellt, bei dem Akteure kein Interesse an einer Abweichung von der Standardspezifikation haben und sich Standards daher selbst durchsetzen. Die vorliegende Arbeit geht der Frage nach, ob, inwieweit und unter welchen Bedingungen Abweichungen zu beobachten sind. Der Autor untersucht die Implementierung des Kompatibilitätsstandards SAP R/3 in der japanischen Automobilindustrie. Empirische Grundlage sind intensive Fallstudien, überwiegend beruhend auf teilnehmender Beobachtung. Aus den Determinanten Faktorspezifität in Routinen, Macht und Sanktion und daraus resultierender Technologieakzeptanz wird ein institutioneller Erklärungsansatz hergeleitet, welcher Standardabweichungen von Kompatibilitätsstandards erklären kann. In den Fallstudien wird gezeigt, dass SAP R/3 mit komplementären Strukturen japanischer Keiretsu-Unternehmen konfligiert, die einerseits zwischen Industrie- und Arbeitsmarktorganisation, und andererseits zwischen Routinen in Produktionssystemen (dem sog. „Toyota Production System“) vorherrschen. Aus diesen Komplementaritäten resultierende Faktorspezifität und Machtstrukturen führen sowohl zu einer Vermeidung von SAP R/3 – der „klassische Fall von Pfadabhängigkeit – als auch zu einer intensiven Anpassung der Standardsoftware, mit dem Ergebnis von Standardabweichungen auch bei Kompatibilitätsstandards. Dieses wird besonders im Bereich der Produktionsplanung deutlich, wo SAP R/3 und dessen inhärente MRP-Funktionen auf spezifische materialflussorientierte Kanban-Routinen treffen. Die Arbeit versteht sich als ein Beitrag zur stärkeren Verzahnung der Neuen Institutionenökonomik in sektorspezifische betriebswirtschaftliche Fragestellungen. Gleichzeitig wird eine Integration von sozialwissenschaftlichen Ansätzen zur Technologierezeption in die ökonomische Forschung zu Standards angestrebt.