Rhapsodie der Nacht
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Im Mittelpunkt dieses Romans stehen Cendrars' Begeisterung für die Aviatik und seine Reisen nach Brasilien, wo er sich in den Jahren zwischen 1924 und 1928 längere Zeit aufhielt und als herausragender Vertreter der neuen französischen Poesie gefeiert wurde. Die brasilianischen Erfahrungen prägen denn den Roman auf vielfältige Weise. So glaubt er als überzeugter Frankophiler am Himmel eine Sternkonstellation beobachten zu können, die in ihren Umrissen dem Eiffelturm gleicht. Auf seine Schreiben an wissenschaftliche Gremien in Paris hat er aber nie eine Antwort erhalten. So wie der Eiffelturm plötzlich am Himmel auftauchen kann, scheint in diesem Roman alles in Bewegung. Wer immer es kann, hebt sich nämlich in die Lüfte, am beeindruckendsten tun dies die Heiligen der Kirchengeschichte. Cendrars erzählt nicht nur von waghalsigen Aviatikern und Heiligen, sondern auch von aussergewöhnlichen Menschen, denen er als Autor begegnet ist. In diesen vielen kleinen und grossen Geschichten entfaltet er ein höchst eindrucksvolles Panorama einer Welt, die mit dem Zweiten Weltkrieg unwiderruflich verlorengegangen ist. Warum ich Rhapsodie der Nacht geschrieben habe Auf diese Frage möchte ich mit einer anderen Frage antworten: Warum singen die Vögel? Colette, die von ihrem Fenster aus die gurrenden Tauben und die fröhlich tschilpenden Sperlinge im Hof des Palais-Royal betrachtete, soll einmal ausgerufen haben: „Die grösste Ungerechtigkeit der Schöpfung ist doch wohl, dass manche Wesen mit Flügeln geschaffen worden sind.“ In meinem Buch wimmelt es von Vögeln, von Flügeln, Engeln, Heiligen, Kindern, Blumen, Licht, Tagträumen. Aber auch Fledermausflügel kommen darin vor und all die grauenerregende Fauna und die furchterregende Flora der Nacht, doch ich musste zu einem Ende kommen, denn ich hätte am liebsten noch ein paar Geschichten von Schlitzohren und Schelmen hinzugefügt, aber mein Buch war schon übervoll, obschon ich noch vieles zu erzählen gehabt hätte. Nach „Auf allen Meeren“ geht die Reise weiter, jedoch auf den Bahnen einer inneren Welt. Es war mir ein Bedürfnis. Ich möchte den jungen Menschen von heute sagen, dass sie sich der Tatsache bewusst sein sollen, dass man sie betrügt, dass das Leben kein Dilemma ist und dass zwischen den zwei entgegengesetzten Ideologien, zwischen denen man sie eine Wahl treffen heisst, das Leben liegt, das Leben mit seinen wunderbaren aufwühlenden Widersprüchen, das Leben und seine unbegrenzten Möglichkeiten, das Leben mit seinen Absurditäten, die viel amüsanter sind als der Unsinn und die Platitüden der Politik, und dass sie sich weder von der einen noch von der anderen Seite vereinnahmen lassen dürfen und sie sich für das Leben entscheiden müssen trotz der Verlockung des individuellen oder kollektiven Suizids und dessen verheerender wissenschaftlicher Logik. Es gibt keine andere mögliche Wahl. Leben. Blaise Cendrars (Saint-Segond, 1. Mai 1949). „Sein Leben liest sich wie ein Märchen aus 1001 Nacht. Er hat mit allen Arten von Menschen verkehrt, mit Banditen, Mördern, Revolutionären. Er hat sich nach seinen eigenen Worten in nicht weniger als sechsunddreissig Metiers versucht. Er war zum Beispiel früher einmal Zauberkünstler, er war Perlenkaufmann und Schmuggler, er war Plantagenbesitzer in Südamerika, wo er dreimal hintereinander ein Vermögen verdiente und noch schneller wieder verlor. Aber lesen Sie sein Leben. Es enthält mehr, als das Auge fassen kann.“ Bayerischer Rundfunk