Gelegentlich Gedichte
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Der deutsche Sprachbereich hat lange Zeit auf eine Übersetzung sämtlicher Gedichte des spätlateinischen Autors Venantius Fortunatus (geboren um 540, gestorben kurz nach 600 als Bischof von Poitiers) gewartet, stellt doch sein Werk für die Merowingerzeit eine wichtige historische Quelle dar. Nach einer französischen (1994-2004) und einer italienischen (2001) Übersetzung liegt nun eine deutsche einsprachige Ausgabe vor, erschienen als Band 2 der von Prof. Dr. Walter Berschin, Heidelberg, im Verlag Anton Hiersemann herausgegebenen Reihe „Bibliothek der Mittellateinischen Literatur“. Der vom Übersetzer dem Buch verliehene Obertitel „Gelegentlich Gedichte“ deutet an, daß Fortunat, wie sich der Dichter selbst nannte, gelegentlich Gedichte schrieb (oft im Auftrag), ohne daß wir genau wissen, wie er sonst sein Leben gestaltete. Den Inhalt seiner Dichtung bilden politische und kirchliche Personen und Ereignisse seiner Zeit. Hinzu kommen vier hier zweifarbig gedruckte Figurengedichte und reizvolle Versbillets, die der Verfasser an zwei befreundete Nonnen geschickt hat, in deren Kloster er eine Zeitlang gelebt hatte. Aber auch einige Prosaschriften, die unter die „carmina“ eingereiht sind – die Erklärung des „Vaterunsers“ etwa –, verdienen noch heute unsere Aufmerksamkeit. Fortunat wurde in den mittelalterlichen Schulen eifrig gelesen, man ahmte seine Art zu dichten nach, schmückte sich gar plagiatorisch mit seinen Versen. Bekannt geblieben sind in der katholischen Liturgie die Hymnen „Pange lingua“ und „Vexilla regis prodeunt“. Im Unterschied zu den genannten fremdsprachigen Übersetzungen wird der Dichter dem Leser hier in den Original-Versmaßen nahe gebracht, um das poetische Flair zum Ausdruck zu bringen. Auch sprachliche Besonderheiten des Originals werden in der Übersetzung soweit wie möglich nachgebildet. Der Autor hat den einzelnen Gedichten, ganz modern, inhaltbezogene Überschriften gegeben und kommt damit heutigen Gepflogenheiten entgegen. Den Gedichten ist die in Hexametern verfaßte Vita des hl. Martin angefügt, so daß sämtliche Verse Fortunats jetzt in deutscher Sprache vorliegen, auch „Verstreutes und Unechtes“ (Appendix spuriorum), wobei hier das letzte Gedicht zum ersten Mal kurz interpretiert und dem Werk Fortunats zugesprochen wird. Der Übersetzung geht eine Einführung voraus, die über Leben und Werk des Dichters nach dem heutigen Forschungsstand informiert. Zum Verständnis sachlicher Zusammenhänge trägt ein knapper Kommentar bei. Ein ausführliches Namen- und Sachregister machen das Buch zu einem Nachschlagewerk.