Kerner
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Das Thema ist nach wie vor verdrängt und tabuisiert: Die elfjährige Tochter Edith ist schwanger: geschwängert vom eigenen Vater, dem Masseur Kerner, der 'als Hebel und Knebel der Familienwohlfahrt' dank väterlicher Autorität die Sonntagsruhe in der Familie aufrecht erhält. Erzählt wird aus der Perspektive der Verdrängung. Kerner begibt sich auf Abenteuerurlaub in die Bergwelt, die er als ebenso rein und ideal imaginiert wie die klischeehaften Tugenden einer Kameraderie, die unterwürfig auf ihren Gruppenführer starrt. Mit Kadavergehorsam hofft er, die ungeheuerliche Tat, das verschwiegene Sexualdelikt, aus seinem Bewußtsein zu drängen. Das Verbot, mit dem das Tabu belegt ist, wird gegen ein harmloseres ausgetauscht: das Verbot des Denkens ans gebrochene Tabu. Nur die Erzählweise bricht Kausalitäten auf. Die grotesk überzeichneten Figuren stolpern immer wieder über ihre eigenen Klischees. Die durch Assonanzen und Binnenreime gebundenen, stakkatohaften Hauptsätze wenden sich zersetzend gegen die von ihnen behauptete Welt. Die Neuausgabe dieses zentralen und heftig diskutierten Werks aus Czurdas Schaffen ist um einen neuen Text erweitert. In „Eine politische Affäre“ich, weiß. 366 mikro-essays für die westentasche" tritt die Rolle der in der prekären familiären Dreieckskonstellation keineswegs so unbeteiligten Frau in den Blick eines Mädchens, das nach mütterlichem Vorbild geprägt wird.