Schmidt & Sohn
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Die Erzählung spielt in einer fiktiven Stadt Südwestdeutschlands. Alle Personen, Sachverhalte und Handlungen sind erstunken und erlogen. Sollte bei Lesenden dennoch der Eindruck aufkommen, an dem Erzählten könne etwas Wahres sein, mag dies in der Absicht des Autors gelegen haben. LESEPROBE - SCHMIDT & SOHN Als Gerhard auf der Welt und ich in der Lehre war, gab es auch ein neues Geld. Schon Wochen vorher hatte man das bemerkt. Es wurde viel gesprochen, skeptisch ge-blickt und abgewogen, am Ende auch verworfen. Dann blieb unser Geschäft fast vierzehn Tage lang zu. Während dieser zwei Wochen bekam man fast nirgendwo etwas zu kaufen. Selbst Lebensmittel waren schwer zu beschaffen. Es war, als hielte die ganze Welt den Atem an. Auf die Baustellen wurde kaum geliefert, der Vater ließ den Rollladen unten. Statt Leitungsdraht, Lampen und Schaltungen zu verkaufen, befasste er sich mit Nach-besserungen und Vormontagen. Oft ging er mit dem Handwagen weg, um in Fabriken und Werkstätten zusätzliches Material zu besorgen. Inzwischen gab es vieles, was man durch Tausch oder gegen Gefälligkeiten erwerben konnte. Und weil die Zweifel viel größer waren als die Zuversicht, versuchten alle, möglichst viele Sachwerte zu horten. Sachwerte konnte man gegen andere Sachen tauschen, Geld, wenn es wertlos geworden war, nicht. Mehrfach begleitete ich ihn bei seinen Touren, lernte Handwerksmeister und Facharbeiter kennen, die allesamt bedenkliche Gesichter machten und von derselben Frage bewegt schienen: Wie geht es weiter? Während ich beim Ein- und Ausladen half, wogen sie ab und zweifelten, ob ein neues Geld Sinnvolles bewirken könne, wo das alte schon zweimal kaputt gegangen sei. Kaum einer vertraute den Beschwichtigungen, die man in Zeitungen las oder aus dem Radio hörte. Unser Lager war inzwischen so voll, dass wir Neuware in die Gänge legten oder aufsetzen mussten. Jede Nacht lebten wir in Angst, bestohlen zu werden. Die Rollläden versahen wir mit Vorhängeschlössern und erwogen die Anschaffung eines Hundes. Viele Geschäfte sollen damals überquellend Vorräte gehortet haben. Das Geld, ob Reichsmark, Rentenmark oder Militärmark, taugte nichts und das neue war noch nicht da. Dann kam der 20. Juni 1948, Tag X, ein Sonntag. Schon vorher war dem neuen Geld per Rundfunknachricht ein Name verpasst worden: „Das neue Geld heißt Deutsche Mark.“ Jeder erhielt vierzig Mark auf den Kopf im Tausch gegen vierzig alte Reichsmark. An den Schaltern für die Lebensmittelkarten wurde sie ausgegeben. Jetzt sollte die Zeit vorbei sein, wo man in Zuteilungsmarken, Zigaretten und Gebrauchs-gegenständen gerechnet hatte, die Schlangen vor den Ausgabestellen waren lang. as neue Geld bestand aus Papier. Münzen kamen erst später. Das alte Geld, das man über die vierzig Reichsmark hinaus besaß, wurde im Verhältnis zehn zu eins getauscht, die alten Einmarkscheine wurden zu Groschen. So viel hatte der Krieg also gekostet. Die Besitzer von Sparbüchern fluchten, weil ihre Guthaben noch stärker abgewertet wurden, nämlich hundert zu sechseinhalb. Einstweilen erhielten sie noch nichts davon, weil die neue Notenbank ihre Konten gesperrt hielt. Manche Schieber und Schwarzhändler sollen ihre überschüssigen Scheine im Ofen verfeuert haben, weil sie deren Herkunft hätten deklarieren müssen. Bedauert hat das niemand. Man konnte kaum glauben, dass Geld auf einmal wieder etwas taugen sollte.