Gartennotizen
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Traude Maria Seidelmann war bildende Künstlerin, bevor das Schreiben sie einholte. Nicht von ungefähr sind ihre „Gartennotizen“ Dialoge aus Weiß, Rot, Gelb, Blau und Grün. Die Gartenpflanzen erheben ihre Stimmen. Ein Zwiegespräch entspinnt sich zwischen dem gestaltlosen Blau des Lavendels und dem zurückhaltenden Rot der Skabiose. Ein Geplänkel, das belustigt, liefert sich das flammende Rot des Mohns mit dem satten Gelb der Färberkamille, das, in neuer Pflanzennachbarschaft, in Opposition geht, rücksichtslos. Und schal, fad, langweilig wird das Rosengeplauder, wenn die Königskerze erblüht ist. Vor der Zartheit der Rosen wird das Geld ihrer Blüten aufdringlich, scharf, grünlich: „Rosa und Gelb, beide für sich Helligkeit und Freudigkeit und dennoch grundverschieden! Zwei Botschaften, die haarscharf aneinander vorbeigehen und sich dabei mindern.“ (Heide Stockinger) __________ Die Herbstfarben ebenso genießen wie die Frühlingsfarben. Genießen mit den Augen wie mit der Zunge und dem Gaumen, genießen wie mit den Ohren, wenn Musik ertönt. Die Musik der Farben. Der Herbstfarben. Ein sanftes rötliches Licht webt unter den Bäumen. Der Nußbaum unten am Zaun tüpfelt lockeres Gelb in das feinere, dichtere rote Laubwerk der Felsenbirne. Im Schneebeerstrauch glimmt noch blasses Serpentingrün über bromberfarbenem dürrem Gezweig. Hoch überragt sie alle der Kirschbaum, schmal, steif, aufrecht, er hat im Wachsen zu wenig Platz vorgefunden, um sich in breite Fülle entfalten zu können. Längst ist er kahl, nur ein einzelner Zweig ganz oben hält noch ein paar fahle Blätter fest, wie einen Wimpel. Ein Abschiedswinken. Sein erdfarbener Stamm, sich immer wieder teilend, immer feiner verzweigend, ist die Graphik über fließenden Aquarellfarben, fest, bestimmt, aber ohne Härte - vergängliches Bild des heutigen Tages, ein Augenblick, morgen wird es schon anders sein.