Wally Neuzil - Schieles Muse
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„Ich nehme… ich nehme dieses… dieses Portrait.“ Graf Wilfried zeigt auf eines von beiden. Er kann jetzt auch keinen Unterschied mehr erkennen, aber er will schnell sein Bild retten, bevor der verrückte Künstler es für immer und ewig ruiniert. Der Graf legt noch einmal 3000 Kronen auf den Küchentisch. „Dieses Portrait ist für mich und meine Familie, für alle Verstorbenen, Lebenden und noch Ungeborenen, die den Namen Nina tragen.“ Er kritzelt sein Vermächtnis ganz klein unter die Signatur: „Für Nina von Graf Wilfried von Kaschnitzky – 1912.“ Nachdem der Graf ganz schnell mit dem Bild unter dem Arm verschwunden ist, schreit Egon empört. „Wann, wann hast du das gemalt? Ich, ich habe es dir doch verboten!“ „Irgendwann! Heimlich, wenn du wieder einmal unterwegs warst.“ „Und wie?“ „Ich habe mich vor den Spiegel gesetzt und wollte wissen, wer ich eigentlich bin und woher ich abstamme.“ „Und, woher kommst du… du blöde Gans?“ „Aus“, Wally lächelt, „aus einem feinen Geblüt.“ Egon tigert im Raum herum. Lange sagt er nichts. Er umschleicht wieder das bild, das nicht genommen wurde. „Natürlich ist das von mir. Meinen Strich macht mir keiner nach, nicht einmal du! Der blöde Graf hat mir jetzt 10.000 Kronen für eine Kopie gegeben. Geschieht ihm ganz recht.“ Wally kann es nicht lassen, Egon spielt sich immer so auf: „Er hat halt das Bessere genommen.“ „Das hier ist das beste und das ist von mir!“, brüllt Schiele. Wally lacht und lacht und lacht: „Gratulation, Gratulation!“ und klopft sich dabei auf die Schulter. Egon bekommt einen Tobsuchtsanfall. „Untersteh dich, noch einmal einen Pinsel oder einen Stift in die Hand zu nehmen. Du bist mein Modell und sonst nichts. Du kopierst mich nur. Das ist Diebstahl. Verstanden?“ „Das ist kein Problem für mich“, sagt Wally. Sie ist Egon hoch überlegen. „Ich schenk es dir.“ Aber es wird doch ihr Bild sein, das eines Tages in der Öffentlichkeit hängen und bewundert werden wird. Da ist sich Wally ganz sicher.