Die elektrischen Glühbirnen
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Die vorliegenden Gedichte führen in eine uns unbekannte Gedichtlandschaft. Wobei die ursprüngliche Konstellation der Teil-nehmer auf georgischer Seite sich im Verlauf der Projektplanung und -organisation noch einmal änderte. Dato Barbakadze konnte aus Zeitgründen nicht teilnehmen und Lia Sturua hatte inzwischen, was mich einerseits traurig machte, andererseits riesig für sie freute, einen Verleger gefunden, der einen eigenen Band mit Gedichten von ihr herausbringen wollte. – Bitte, meine Damen und Herren, lesen Sie die Gedichte von Lia Sturua. Sie werden begeistert sein. Die Gedichte von Andro Buatchidze sind Nachrichten aus den Armenvierteln der Toten. Was die Lebenden mit einschließt. Sein langes, großartiges Gedicht „An Freunde, die die Grenzen des Lebens überschritten“ ist ein bewegendes Requiem, ein durch die dunklen Straßen der Erinnerung irrlichterndes Kaddish eines Dichters, der in einem zerfallenden Land lebt und nicht nur die Erinnerung an die Verstorbenen wachhält und beklagt, sondern auch den Tod im Leben der Zeitgenossen. Der Dichter Shota Iatashvili ist ein „Schlitzohr“. Bei ihm ist die Einsamkeit nur eine Art Grundierung für seine spöttischen und ironischen Bilder und Kommentare. Er macht sich über Geld lustig, über Kleidungsstücke und Dichter im einundzwanzigsten Jahrhun-dert. Er beherrscht die Kunst, über Ernsthaftes Witze zu machen, ohne die Ernsthaftigkeit zu verraten. Besonders bezaubernd in dem Gedicht „Der Beistift in der Erde“, in dem ein Bleistift zu Grabe getragen und ein Handstock zerbrochen wird, um ein Kreuz zu formen, das mit den grauen Haaren des Dichters zusammenge-bunden auf das Grab des toten Bleistifts gepflanzt wird. Dies bezieht sich auf die Legende von der heiligen Nino, die im siebten Jahrhundert das Christentum nach Georgien brachte. Da sie so arm war, dass sie kein Kreuz besaß, brach sie Weinreben und fügte sie mit ihrem eigenen schwarzen Haar zu einem Kreuz zusammen. Lia Likokeli ist eine Dichterin, die in ihren Gedichten ins Surreale ausfliegt und dabei die Bodenhaftung nicht verliert. Es bleibt etwas Beklemmendes in ihren Gedichten. Fast echomäßig an manche Bilder von Leonora Carrington erinnernd, beschreibt sie Familien-situationen. Erwartungen, Verhaltensweisen, und immer wieder große Einsamkeiten inmitten des Familienverbands. Hier verändert sich etwas in Georgien. Lia Likokeli hat, zumindest unter den jüngeren Menschen, ein großes Publikum, sagte man mir voller Hochachtung im Georgian National Book Center, und ich kann mir vorstellen, warum. Gaga ist mir als Dichter nahe. Er ist Realist. Sein poetisches Schrei-ben ist eine Auseinandersetzung mit den Dingen als notwendiges Element des Lebendigseins. In vielen seiner Gedichte (u. a. in „Gott und wir“) finde ich eine erfrischend diesseitige, unpathetische Position, die jede Metaphysik ablehnt und bei allem Dreck, in dem die Menschheit watet, den blühenden Akazienbaum nicht aus dem Auge verliert. Und außerdem hat er ein fragendes Kind an Bord, was mich freut. Bei meiner Lektüre, bei Notizen zu seinen Gedich-ten, in der gedanklichen Auseinandersetzung tauchte immer wieder ein Bild vor meinem inneren Auge auf, das übersetzt etwa lauten könnte: Hier spricht ein fernöstlicher Weiser. Woraufhin ich mich korrigierte: Hier spricht ein Weiser aus Osteuropa. Vier Stimmen, vier poetologische Ansätze, vier Weisen, die Welt zu verstehen; dass wir sie hören können, verdanken wir vielen Freun-dinnen und Freunden der Poesie, die mit Rat und Tat geholfen haben, dieses Projekt lebendig werden zu lassen.