Herrschaft ohne Naturrecht
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Der Protestantismus hat ein Problem mit der Welt: Die reformatorische Behauptung eines dreifachen SOLA - Gnade, Glaube, Schrift - bricht die Kirche aus der Welt heraus, eröffnet aber neben dem schlichten Glaubensbekenntnis keine überzeugenden Kommunikationsmöglichkeiten. Wie kann nun das bürgerliche Verhältnis dieser Kirche zu der sie umgebenden Welt gedacht werden? Kann sie überhaupt in rechtlicher Gemeinschaft mit der Welt leben? Verfügt sie über geeignete Mittel, an der Gestaltung dieser Gemeinschaft mitzuwirken? Ausgehend von dem Blick auf die »Kehrseite« des SOLA - die radikale Vergottlosung der Welt - und der daran notwendig sich anschließenden Zuordnung von Reformation und Neuzeit weist Jochen Bohn nach, daß der bei Luther und Calvin angelegte Bruch zwischen Kirche und Welt den Anschluß an die vermittelnde Naturrechtstradition verhindert. Des Naturrechtes als einer Brücke zur Welt entledigt, steht der Protestantismus vor dem Dilemma, sich in bürgerlichen Dingen entweder einer weltflüchtigen, oder aber einer christlich-despotischen Orientierung hingeben zu müssen. Am Beispiel Helmut Thielickes und Karl Barths zeigt Bohn, daß diese Not sich selbst in den Sozialtheorien des modernen Protestantismus äußert. Die evangelische Theologie, so die These, wird sich nur dann helfen, wird nur dann eine »gelassene Weltlichkeit« entwickeln können, wenn sie den theologischen Zustand in Fragen des Rechtes zu verlassen und in einen philosophischen Zustand einzutreten bereit ist. Bohn fordert die protestantische Theologie dazu auf, sich Philosophie als pure Weltweisheit wieder neu brauchbar zu machen. Für diese Perspektive stellt er erste theoretische Grundlagen bereit. Möglich wird die - theologisch motivierte! - Hinwendung zur Philosophie durch eine Rehabilitierung der ursprünglichen, durch Bohn jedoch deutlich korrigierten und damit neu zugänglichen Lösung des protestantischen Konfliktes mit der Welt: durch die Rückkehr zur Zwei-Reiche-Idee.