Barbaren mit humanen Zügen
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Kein anderer italienischer Filmschaffender des 20. Jahrhunderts hat sich so häufig wie der Regisseur, Szenarist und Produzent Roberto Rossellini (1906-1977) in Kino- und Fernsehfilmen mit den Deutschen auseinandergesetzt. Deutsche Typen oder Charaktere in Neben- und Hauptrollen durchziehen leitmotivisch sein Werk, von dem frühen Kriegsspielfilm La nave bianca (1941) bis zu seinem letzten, unvollendet gebliebenen Projekt zu Karl Marx – „Arbeiten für die Menschheit“. Ausschnitthaft behandelt Rossellini die deutsche Geschichte als Teil der Weltgeschichte von der Erfindung des Buchdrucks durch Johannes Gutenberg am Übergang vom Mittelalter zur Neuzeit bis zum Beginn des westdeutschen ‘Wirtschaftswunders’. Im Mittelpunkt von Rossellinis Interesse stehen die italienisch-deutschen Beziehungen während des Zweiten Weltkriegs. Das von Anfang an ambivalente Verhältnis zwischen den beiden Achsenmächten manifestiert sich in La nave bianca und Un pilota ritorna (1942). Einsetzend mit Roma città aperta (1945), fortgeführt in Paisà (1946), Il generale della Rovere (1959), Era notte a Roma (1960), L’età del ferro (1963-65) bis zu Anno uno (1974) kommt Rossellini wiederholt auf ein bis in die Gegenwart nachwirkendes kollektives Trauma seiner Generation zurück: die deutsche Besatzung Italiens von September 1943 bis Mai 1945. Die beiden teilweise bzw. ausschließlich in Deutschland gedrehten Kinofilme Germania anno zero (1947/48) sowie Angst/La paura (1954) spüren hingegen anhand zweier höchst unterschiedlicher Familiengeschichten den psychischen Langzeitfolgen des Nationalsozialismus nach.