Das Montglane-Spiel
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Frühjahr 1790 Eine Gruppe Nonnen überquerte die Straße. Die gestärkten Hauben auf ihren Köpfen hoben und senkten sich wie die Flügel großer Meeresvögel. Als die Ordensfrauen durch das hohe, steinerne Stadttor segelten, stoben Hühner und Gänse aufgeregt flatternd und gackernd durch schlammige Pfützen davon. Die Nonnen liefen durch den dichten Dunst, der wie jeden Morgen über dem Tal lag, und stiegen zu zweit nebeneinander dem Klang der Glocke entgegen, die über ihnen ihren Ruf erschallen ließ. Man nannte diesen Frühling le printemps sanglant, den blutigen Frühling. Die Kirschbäume hatten sehr früh geblüht, noch ehe der Schnee auf den Bergen geschmolzen war. Die dünnen Aste senkten sich unter der Last der nassen roten Blüten der Erde entgegen. Einige hielten die frühe Blüte für ein gutes Omen, für ein Symbol der Wiedergeburt nach dem langen und grausamen Winter. Aber dann kam der kalte Regen, die Blüten erstarrten an den Zweigen und waren von schmutzigbraunen Frostadern durchzogen, als seien es blutverkrustete Wunden. Auch darin sah man ein Zeichen des Himmels. Das Kloster von Montglane stand hoch über dem Tal der Bergflanke und wirkte wie ein gewaltiger Felsvorsprung. Beinahe tausend Jahre hatte die Welt draußen den einer Festung ähnlichen Bau vergessen und ihn unberührt gelassen. Die Mauern des Klosters türmten sich in sechs oder sieben Schichten übereinander. Wenn die ursprünglichen Steine im Verlauf der Jahrhunderte verwitterten, errichtete man vor den alten neue Mauern mit Stützpfeilern. So wurde aus dem Kloster ein abweisendes, drohendes Bollwerk, das den Gerüchten und Geschichten Nahrung bot, die man im ganzen Land erzählte. Das Kloster von Montglane war das älteste noch benutzte kirchliche Monument in Frankreich.
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