Die Beschäftigung mit der Rolle des Staates in der Wissensgesellschaft und mit Wissen als Ressource staatlicher Gestaltungsmacht ist bisher über Ansätze nicht hinausgekommen; Debatten und Begriffsbildungen finden eher dort statt, wo die private Wirtschaft betroffen ist. Und wenn über das Wissen des Staates gesprochen wird, werden die Grenzen disziplininterner Fragestellungen meist nicht überschritten. Der vorliegende Band möchte auf die Möglichkeiten disziplinübergreifender Zusammenarbeit aufmerksam machen. Im Mittelpunkt steht der Zusammenhang zwischen staatlicher Wissensbasierung und staatlicher Handlungsfähigkeit in historischer und aktueller Perspektive: Welche Bedeutung ist der Akkumulation von Wissen für die europäischen Staatsbildungsprozesse einzuräumen? Auf welche Art und Weise prägte später wissenschaftliches Wissen die Regierungs- und Verwaltungstätigkeit? Wie kann heute staatliche Wissensarbeit unter den Bedingungen von Ungewissheit, Komplexität und Nichtwissen funktionieren? Und welche Chancen und Risiken bergen Ökonomisierung und Informatisierung wissensbasierten Verwaltungshandelns. Der Band versammelt sich diesen Fragen widmende Beiträge aus Geschichte, Rechtswissenschaft, Politologie, Soziologie, Ökonomie, Philosophie, Ethnologie, Informationswissenschaft, Psychologie und Kunst sowie aus der Verwaltungspraxis.
Peter Collin Bücher






Von Bußen und Strafen
Gerichtliche Verfolgung von Unrecht zwischen Mittelalter und Neuzeit
- 310 Seiten
- 11 Lesestunden
Der Band zur Strafrechtsgeschichte beleuchtet umfassend die Entwicklung der Strafgerichtsbarkeit und -praxis vom frühen Mittelalter bis ins 19. Jahrhundert. Er verknüpft traditionelle Ansätze mit neueren Methoden der Historischen Kriminalitätsforschung und bietet ikonographische Ergänzungen. Thematisch werden verschiedene Institutionen und Akteure behandelt, darunter die geistliche Gerichtsbarkeit, kanonisches Recht, ungelehrte Dorfgerichte, Strafrechtslehrer sowie spezifische Fragen zur Reichsjustiz und Schwurgerichten. Die Vielfalt der Themen bietet einen tiefen Einblick in die evolutionäre Entwicklung des Strafrechts.
Handbuch des Verwaltungsrechts 07
Band VII: Aufgaben, Organisation und öffentliche Sachen
- 1200 Seiten
- 42 Lesestunden
Die umfassende Edition des Verwaltungsrechts besteht aus 12 Bänden und wird von zwei Herausgebern sowie rund 250 Autor*innen erstellt. Sie betrachtet das deutsche, europäische und internationale Verwaltungsrecht in seiner Gesamtheit und deren Wechselwirkungen. Das Handbuch richtet sich an Praktiker und Wissenschaftler und bietet eine enzyklopädische Aufbereitung des Rechtsstoffs. Es analysiert die rechtlichen Begriffe, Prinzipien und Institute sowie deren historische und dogmatische Grundlagen und beleuchtet die europäische und internationale Vernetzung des Verwaltungsrechts.
Die Darstellung richtet sich an fortgeschrittene Jurastudenten zur Vorbereitung auf das Staatsexamen. Sie ist in Themenbereiche wie Verwaltungsrecht, Kommunalrecht und Umweltrecht gegliedert und bietet Lösungswege sowie Literaturhinweise. Ein Problemregister ermöglicht gezielten Zugriff auf relevante Fälle zur Klausurenbewältigung.
Bis heute gilt die zweite Hälfte des 19. Jahrhunderts als Epoche des „liberal-rechtsstaatlichen Strafrechts“. Auch die Einführung der Staatsanwaltschaft Mitte des 19. Jahrhunderts wird mit dem Prädikat „liberal-rechtsstaatlich“ benotet. Der Begriff des „Gesetzeswächters“ gibt hierfür das Stichwort, indem er dem zeitgenössischen Gesetzgeber die Motivation unterstellt, die Einführung der Staatsanwaltschaft aus rechtsstaatlichen Motiven betrieben zu haben. Diese Auffassungen überprüft der Autor, indem er die einschlägigen Überlieferungen vor allem des preußischen Justizministeriums untersucht. Dabei ergibt die Analyse der Gesetzgebungsmaterialien, dass die Einführung der Staatsanwaltschaft auf das Bestreben der Regierung zurückzuführen ist, der Exekutive angesichts der sich verfestigenden Unabhängigkeit der Gerichte einen stärkeren Einfluss zu verschaffen. Dieses Ziel verfolgte das Justizministerium nach Inkrafttreten der neuen Bestimmungen konsequent weiter, indem es durch Weisungen zur Interpretation der strafprozessualen Vorschriften die Stellung der Staatsanwaltschaft verstärkte und sie gleichzeitig einer strikten Anbindung an die Belange der Verwaltungsbehörden unterwarf. Die dadurch geschaffenen institutionellen Rahmenbedingungen ermöglichten es dem Justizministerium, nachhaltig auf die Strafrechtspflege Einfluss zu nehmen, beispielsweise indem es die systematische Einlegung von Rechtsmitteln anwies, wenn Gerichte bei der Auslegung strafrechtlicher Normen von der ministeriellen Auffassung abwichen. Die Untersuchung kommt zu dem Ergebnis, dass sich die Behauptung von der rechtsstaatlichen Geburt der Staatsanwaltschaft nicht mehr aufrechterhalten lässt; ebensowenig passt dieses Etikett auf die der Einrichtung der Staatsanwaltschaft nachfolgende Strafrechtspraxis.
History of justice is not only the history of state justice. Rather, we often deal with a coexistence of state, parastatal and non-state courts. Interesting research questions emerge out of this constellation: Where are notions of just conflict resolution most likely to be enforceable? To what extent is non-state jurisdiction a mode of self-regulation of social groups who define themselves by means of ethnic, religious or functional criteria? How do state and non-state ambitions interact? This collective volume contains contributions exploring non-state and parastatal justice between the 17th century and the present in Europe, Asia, North America as well as from a global perspective.
In privat-staatlichen Regelungsstrukturen verfügt jede Seite über Mitentscheidungs- oder zumindest Konsultativbefugnisse. Es sind oft Kombinationen von rein privatrechtlichen Beziehungen und öffentlich-rechtlichen Befehlsstrukturen. Heute unter Schlagworten wie „Governance“ oder „regulierte Selbstregulierung“ intensiv diskutiert, reichen sie aber bis ins 19. Jahrhundert zurück. Der Band stellt sie vor und eröffnet weitere Forschungsperspektiven.
Treffräume juristischer und ökonomischer Regulierungsrationalitäten
- 235 Seiten
- 9 Lesestunden
Zu Beginn des 19. Jahrhunderts zog sich der Staat weitgehend aus der Wirtschaftssteuerung zurück. Zugleich beschnitt er die Macht intermediärer Institutionen, die bis dahin einzelne Sektoren der Wirtschaft weitgehend wettbewerbsfrei organisiert hatten. In diesem Sinne kann man von einer Deregulierung des Marktgeschehens sprechen. Die nunmehr entstehende Lücke wurde jedoch nicht nur durch die freie vertragsmäßige Koordination der Privatrechtssubjekte ausgefüllt. Verstärkt seit der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts entwickelten sich neue Formen staatlicher Wirtschaftssteuerung: bei der Gestaltung von Infrastrukturen, in Reaktion auf Marktversagen, zur Ausbalancierung sozialer Ungleichgewichte, zur Sicherung der Grundversorgung im Krieg, in Reaktion auf Finanzkrisen usw. Auf diesen Feldern der Wirtschaftsregulierung trafen ökonomische Konzepte und rechtliche Gestaltungsvorstellungen in neuartiger Weise aufeinander. Die Beiträge dieses Bandes untersuchen für das 19. und das frühe 20. Jahrhundert, in welcher Weise juristische und ökonomische Regulierungsrationalitäten interagierten, in welchen organisatorischen, personellen, thematischen und disziplinären Treffräumen sie einander begegneten, wann Brückenthemen oder Brückenbegriffe die Kommunikation stimulierten und welche Interaktionsmodi dabei zutage traten, aber auch wo bzw. inwiefern Ignoranz und Sprachlosigkeit vorherrschten.
„Regulierte Selbstregulierung“ vollzieht sich in Regelungsstrukturen, die staatliche und private Gestaltungsanteile bei der Wahrnehmung gemeinwohlrelevanter Angelegenheiten miteinander kombinieren. Sie lassen sich auch historisch verorten. Rechtshistorische Aufmerksamkeit richtet sich dabei auf die juristischen Konturen. Dieser Band, entstanden im Rahmen des Projekts „Regulierte Selbstregulierung in rechtshistorischer Perspektive“, einem Teilprojekt des Frankfurter Excellenzclusters „Die Herausbildung normativer Ordnungen“, schließt in zeitlicher Hinsicht an den bereits vorliegenden Band „Selbstregulierung im 19. Jahrhundert - zwischen Autonomie und staatlichen Steuerungsansprüchen“ an. Lag dort der Schwerpunkt auf der Genese von Selbstregulierung und auf deren juristischer und publizistisch-politischer Reflexion vornehmlich in der ersten Hälfte des 19. Jahrhunderts, so widmet sich dieser Band Erscheinungsformen regulierter Selbstregulierung im späten 19. und frühen 20. Jahrhundert. Der Grund für einen derartigen zeitlichen Schnitt liegt in der Tatsache, dass der in Deutschland ab den 1870er Jahren aufkommende Interventions- und Sozialstaat eine neue Qualität regulierter Selbstregulierung schuf und sie für eine Vielzahl öffentlicher Aufgaben als maßgebliches Organisationsmuster erst etablierte.
Regulierte Selbstregulierung ist ein zentraler Begriff in der rechts- und politikwissenschaftlichen Diskussion und findet sich in verschiedenen Ausprägungen. Allen Varianten gemein ist die Kombination aus staatlicher Steuerung und Eigenregulierung gesellschaftlicher Akteure. Das Projekt „Regulierte Selbstregulierung in historischer Perspektive“ am Max-Planck-Institut für europäische Rechtsgeschichte hat die Aufgabe, die historischen Dimensionen, rechtlichen Ausformungen sowie die ökonomischen, kulturellen und sozialpolitischen Kontexte dieses Themas zu untersuchen. Dieser Band dokumentiert die Ergebnisse einer Tagung, die vom 9. bis 11. Juli 2009 in Bad Homburg stattfand. Die Beiträge umfassen unter anderem die Diskussion um „Gesellschaftliche Selbstregulierung“ und „Regulierte Selbstregulierung“, den Begriff der „Privat-Autonomie“ im 19. Jahrhundert, die Rolle der französischen munizipalen Verwaltung, sowie die Entwicklung in Großbritannien und Italien. Weitere Themen sind das Zusammenspiel von staatlicher Regulierung und wirtschaftlicher Selbstorganisation im Aktienrecht, die gesellschaftliche Selbststeuerung im Patentrecht, sowie die Selbstregulierung im Eisenbahnfrachtgeschäft und im Versicherungswesen. Auch die preußischen Handelskammern und die kommunale Selbstregulierung werden behandelt.