Als letztes biobibliographisches Lexikon zur Medizin in der Schriftenreihe Relationes präsentiert der Band 24 die im 19. Jahrhundert als „Therapeuten“ bezeichneten Internisten sowie die Vertreter anderer „konservativer“ medizinischer Fächer, darunter auch zahlreiche Dermatologen und Venerologen sowie Pädiater. Insgesammt sind im vorliegenden Band 105 Namen erfasst. Viele der Ärzte befassten sich auch mit Infektionskrankheiten, mit Hygienefragen und der gleichfalls wichtigen Balneologie. Das in der Zeit geprägte Lehnwort „Kurortologie“ steht für deutsche Einflüsse auf diesem Gebiet. Der Band spiegelt die Entwicklung der russischen Universitätsmedizin unter dem Aspekt eines Paradigmenwechsels, der in der Inneren Medizin durch die neuen physikalischen Untersuchungsmethoden (Perkussion, Auskultation) sowie den Einzug der Laboratoriumsmedizin in die klinische Praxis gekennzeichnet ist. Die russischen Ärzte haben diese Methoden genauso schnell rezipiert wie ihre europäischen Kollegen und für ihre Bedürfnisse angepasst; nicht anders als im Ausland war in Russland die Kompetenz auf diesem Gebiet jedoch nicht selbstverständlich und die besonders begabten Personen galten als „ausgezeichnete Diagnostiker“. Die Bezeichnung „Pathologie“ steht sowohl in historischer Dimension für die Krankheitslehre (als theoretisches medizinisches Fach) als auch im heutigen Sinn für die postmortale Diagnostik durch Obduktion. Die zahlreichen Kontakte zu Rudolf Virchow (1821-1902) zeigen, dass die russischen Mediziner den Paradigmenwechsel auch auf diesem Feld (von der Organ- zur Zellularpathologie) aufgegriffen haben, unter ihnen auch zahlreiche Schüler von dem Begründer „der modernen klinischen Medizin“ in Russland Sergej Petrovič Botkin (1832-1889) – bereits in Relationes 4 als Leibarzt enthalten –, z. B. Grigorij Antonovič Zachar’in (1829-1898), Valerian Grigor’evič Laškevič (1835-1888) und Vasilij Parmenovič Obrazcov (1851-1920). Zu den wichtigen Vertretern der Dermatologie und Venerologie zählen Venjamin Michajlovič Tarnovskij (1837-1906) und Oskar Woldemar von Petersen (1849-1919), der Pädiatrie Nil Fedorovič Filatov (1847-1902).
Marta Fischer Bücher






Das Lexikon zu den chirurgisch tätigen Professoren gibt einen Überblick über die Entwicklung der russischen Universitätsmedizin unter dem Aspekt des bilateralen Wissensaustauschs. Es enthält 150 Namen, die nach dem Projektthema entsprechenden Auswahlkriterien zusammengestellt wurden. Anders als in den vorausgehenden Lexikonbänden fehlen diesmal Einträge zu den akademischen Lehrern auf deutscher Seite, sofern diese keine aktiven Verbindungen nach Russland pflegten, weil deren Vielzahl den ohnehin schon weit gespannten Rahmen gesprengt hätte; ein Blick auf zahlreiche Namen im Personenregister belegt diese Kontakte. Von den Gelehrten, die sowohl in Deutschland als auch in Russland tätig waren, sind z. B. Georg Franz Blasius von ADELMANN (1811-1888) und Ernst Gustav Benjamin von BERGMANN (1836-1907) zu nennen. Unter den vertretenen Fächern Chirurgie, Geburtshilfe, Gynäkologie und Ophthalmologie nimmt neben der Chirurgie auch die Augenheilkunde eine prominente Stellung ein; dies ergibt sich nicht nur aus ihrer großen sozialmedizinischen Bedeutung, sondern auch aus dem damals guten Forschungsstand, z. B.. im mehrbändigen Handbuch zur Geschichte der Augenheilkunde von Julius HIRSCHBERG (1843-1925), der darin die ihm zugänglichen Namen der zwischen 1800 und 1875 in Russland tätigen Fachvertreter zusammengetragen hatte. Außerdem wird es deutlich, dass im Bearbeitungszeitraum heutige Fächergrenzen und Spezialisierungen noch längst nicht existierten, und erkennbar, dass die durch Anästhesie und Asepsis gesetzten Meilensteine auf dem Weg zur modernen Chirurgie gelegt wurden. Auffällig im Band sind noch die vielen Verweise auf den bekanntesten russischen Chirurgen und die bedeutendste Schlüsselfigur in der russischen Medizin Nikolaj Ivanovič PIROGOV (1810-1881). Da er in der Reihe Relationes bereits monographisch erfasst worden ist, ist er im vorliegenden Band nicht nochmals berücksichtigt.
Das Vorhaben der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu den Wissenschaftsbeziehungen zwischen Deutschland und Russland im 19. Jahrhundert schließt mit einem biobibliografischen Lexikon von Marta Fischer ab, das sich mit Bakteriologen, Immunologen und Hygienikern beschäftigt, die am Wissensaustausch beteiligt waren. Ein interdisziplinärer Tagungsband zur Hygiene, der die konkurrierenden Ansätze von Max von Pettenkofer und Robert Koch behandelt, wurde bereits veröffentlicht. Die Immunologie, als neu formierende Disziplin, wurde im ersten Band der Reihe durch Il’ja Il’jic Mechnikov gewürdigt, dessen Eintrag in der Personendatenbank des Projekts online verfügbar ist. Die Entwicklung der Immunologie wird in einer begleitenden Monografie dargestellt, die auch Verbindungen nach Frankreich berücksichtigt. Die Bände Relationes 17 und 18 bilden eine komplementäre Einheit, da die biobibliografischen Einträge zu sechs bedeutenden russischen Immunologen nicht erneut abgedruckt sind. Die Artikel zu bekannten Wissenschaftlern wie Hans Buchner, Paul Ehrlich und Koch wurden aufgrund der umfangreichen Literatur kurz gehalten. Neu ist die Aufnahme von Informationen zu Namensvariationen und akademischen Titeln. Zudem wird in die politische Geschichte des 20. Jahrhunderts eingetaucht, in der Krieg, Revolution und Verfolgung die Lebensläufe vieler Wissenschaftler prägten.
Akteure und Agentien
- 295 Seiten
- 11 Lesestunden
Das vorliegende Lexikon der Schriftenreihe Relationes enthält Biobibliographien der Pharmakologen, die im 19. und frühen 20. Jahrhundert die Wissenschaftsbeziehungen zwischen dem deutschen Sprachraum und dem Russischen Reich in dieser neu entstehenden Disziplin repräsentieren. Der Band knüpft an die institutionengeschichtliche und bibliographische Darstellung der Pharmakologie in Relationes 8 an, wobei jedoch der hier vorgestellte Personenkreis mehr als doppelt so groß ist. Das Fach „Arzneimittellehre“ war in seinen Anfängen von der Pharmazie einerseits sowie von Physiologie und Biochemie anderseits noch nicht scharf abgegrenzt; zudem verlief im Vergleich mit Russland die Spezialisierung im deutschen Sprachraum erheblich langsamer. An den vielen Querverweisen sind die zahlreichen Verknüpfungen zwischen den benachbarten Fächern und damit auch zwischen den bereits vorliegenden Lexikon-Bänden erkennbar: Nach Physiologie (Relationes 9) und Physiologischer Chemie (Relationes 12) sind jetzt die bilateralen Bezüge in einer dritten experimentellen Richtung der neuen medizinischen Grundlagenforschung im 19. Jahrhundert dokumentiert. Die Biobibliographien, die nach einem in Relationes 1 und 6 vorgestellten Schema aufgebaut sind, enthalten Angaben zur Genealogie, Ausbildung, Karriere, Arbeitsweise sowie zu den wichtigen Publikationen der enthaltenen Personen.
Lebendige Verbindungen
- 237 Seiten
- 9 Lesestunden
Das vorliegende Lexikon präsentiert die Biobibliographien von Biochemikern, die im 19. bis frühen 20. Jahrhundert die wissenschaftlichen Beziehungen zwischen dem deutschen Sprachraum und dem Russischen Reich in dieser neu entstehenden Disziplin prägten. Es ergänzt die institutionengeschichtliche und bibliographische Darstellung der Physiologischen Chemie und dokumentiert die zweite experimentelle Richtung medizinischer Grundlagenforschung in bilateralen Bezügen. Der erfasste Personenkreis ist nahezu doppelt so groß. Die Lebensläufe der ersten Biochemiker zeigen die heterogenen Wurzeln des Fachgebiets sowie diverse regionale Besonderheiten. Die Akteure stammen aus Medizin, Chemie und Pharmazie, wobei ihre Arbeitsgebiete sich mit Physiologie, klinischer Medizin, Balneologie, Pharmakologie und Agrartechnik überschneiden. Die Biobibliographien sind nach einem festgelegten Schema aufgebaut und enthalten Informationen zu Genealogie, Ausbildung, Karriere, Arbeitsweise und wichtigen Publikationen. Wichtige russische Wissenschaftler sind u.a. Aleksandr Dmitrievic Bulyginskij und Marija Michajlovna Manasseina, die als erste Biochemikerin Russlands gilt. Zudem werden bedeutende deutsche Lehrer wie Friedrich Wöhler und Nobelpreisträger erfasst. Um die Recherche zu erleichtern, werden die Biobibliographien schrittweise in eine Online-Personendatenbank eingestellt.
Lebensmuster
- 378 Seiten
- 14 Lesestunden
Das seit Mai 2007 bestehende Vorhaben zur Erforschung der Wissenschaftsbeziehungen im 19. Jahrhundert zwischen Deutschland und Russland in Chemie, Pharmazie und Medizin an der Sächsischen Akademie der Wissenschaften zu Leipzig zielt darauf ab, diese Beziehungen zu dokumentieren und biobibliographisch in Lexikon- und Handbuchform darzustellen. Russland bot vielen deutschen Medizinern und Naturwissenschaftlern Arbeits- und Forschungschancen, während russische Studenten und Akademiker ausländische Universitäten besuchten und deutsche Publikationen verfassten. Das biobibliographische Lexikon erfasst Chemiker, Pharmazeuten und Mediziner, die eine Schlüsselrolle in diesen Beziehungen spielten. Nach der Präsentation der Leibärzte 2010 folgt nun der Band 9 mit den Physiologen. Diese Biobibliographien erweitern die Informationen zu 37 russischen Physiologen und deren biographischem Hintergrund und erhöhen die Gesamtzahl bearbeiteter Forscher auf 100. Die Biobibliographien, nach einem bestimmten Schema strukturiert, bieten Einblicke in die Ausbildung, Karriere und Arbeitsweise eines typischen russischen Physiologen des 19. Jahrhunderts. Zu den prominenten Vertretern zählen Ivan Michajlovi? Se? enov, Il’ja Faddeevi? Cion und Ivan Petrovi? Pavlov. Die Biobibliographien enthalten zudem Hinweise auf kommende Berichte über den wechselseitigen Wissenschaftsbetrieb des 19. Jahrhunderts. Bedeutende deutschsprachige Physiologen, die für russisch
Russische Karrieren
- 310 Seiten
- 11 Lesestunden
Der Hauptteil des vorliegenden Bandes bietet in Form lexikonartiger Artikel Biobibliographien zu ausgewählten deutschen und russischen Leibärzten im Zarenreich während des sog. „langen“ 19. Jahrhunderts. Es handelt sich dabei um eine einerseits gut abgrenzbare und anderseits in der Forschung bisher stiefmütterlich behandelte Teilmenge aus dem Personenkreis der tragenden Akteure deutsch-russischer Wissenschaftsbeziehungen, der langfristig biobibliographisch erfasst werden soll. Als Anlass und primärer Ausgangspunkt diente die alphabetische Namensliste der Leibärzte der ROMANOV-Dynastie bei Boris Aleksandrovic NACHAPETOV in seiner eingangs vorgestellten Monographie, allerdings besteht keine Deckungsgleichheit, da die Auswahlkriterien des Gesamtvorhabens Vorrang hatten; es ergaben sich daher sowohl Auslassungen als auch Ergänzungen, wobei Letztere besonders auf die weitere Fassung des Leibarzt- Begriffs über das Hofamt bzw. die Zarenfamilie hinaus zurückzuführen sind. Zudem ist festzuhalten, dass NACHAPETOVs darstellende Abschnitte jeweils eine punktuell günstige Quellenlage nutzen, insofern selektiv und plakativ Einzelschicksale herausgreifen und sich am narrativen Wert des Gegenstandes orientieren; einen umfassenden Anspruch erhebt nur seine Tabelle, in der wiederum die Quellenangaben zwar beachtlich, aber weder systematisch bzw. nach einem erkennbaren Prinzip ausgeworfen noch inhaltlich auswertet sind.