Die Bibliothekarin
Roman
Du stehst um acht Uhr auf und beginnst deine Arbeit, indem du einen Hebel betätigst, der ein Buch auf den Tisch legt. Du prüfst das Buch, füllst eine Liste aus und stellst es zurück. Dieser Prozess wiederholt sich, bis die Liste voll ist, dann lochst du sie und legst sie in einen Ordner. Ist der Ordner voll, wirfst du ihn in die Klappe und nimmst einen neuen aus einer Truhe. Jedes Blatt Papier versiehst du mit einem Raster und erstellst eine neue Liste. Lesen ist nicht Teil deiner Pflicht; deine Arbeit endet um acht Uhr abends, mit einer halben Stunde Pause um ein Uhr. In dieser streng segmentierten Welt, in der Pflicht dominiert, ist Sprache auf das Nötigste reduziert und der Alltag streng geregelt. Zwischenmenschliche Kontakte existieren nicht, Kommunikation erfolgt ausschließlich über ein Rohrpostsystem. Die Bibliothekarin lebt in Abteilung F-23 und katalogisiert literarische Werke der Vergangenheit, darf sie jedoch nicht lesen. Ihr Dasein ist von der Erfüllung ihrer Pflicht geprägt, bis sie unerwartet in den Sog von Sprache, Menschlichkeit und Nähe gerät, was ihre Sicht auf die Welt verändert.


