»Anthropologie als Kritik der modernen Welt«, als der Versuch, alternative Welten und Lebensformen sichtbar zu machen – das war der Kern von Claude Lévi-Strauss’ wissenschaftlichem Wirken. Nirgends findet man dies farbiger und konziser dargestellt als in diesem posthum veröffentlichten Band. Er versammelt drei bisher unveröffentlichte Vorträge, die Lévi-Strauss 1986 in Japan gehalten hat. Sie gehen der Frage nach, welche Rolle die Anthropologie in der modernen Welt spielen kann, und setzen bei der Feststellung an, daß das westliche Gesellschafts- und Fortschrittsmodell durch die ökologischen Folgen der kapitalistischen Industrialisierung, die Umweltzerstörung und die Ausbeutung natürlicher Ressourcen in eine Sackgasse geraten ist. Hier kommt nun die Anthropologie ins Spiel, da sie alternative Gesellschaftsmodelle und einen anderen Umgang mit der Natur untersucht und zur Kenntnis bringen kann. Diese anthropologische Aufklärung führt Lévi-Strauss an einer Reihe von hochaktuellen Beispielen, die sich etwa mit dem Sexual- und Familienleben und der Reproduktionsmedizin oder alternativen Formen des ökonomischen Austauschs befassen, auf faszinierende und gelehrte Weise vor. Indem die Anthropologie uns die Augen für Differenzen öffnet und uns mit anderen Lebensformen bekanntmacht, trägt sie zur Bildung eines demokratischen Humanismus bei. Das war Lévi-Strauss’ große Hoffnung und das tiefere Motiv seiner Forschungen.
Claude Lévi-Strauss Bücher
Claude Lévi-Strauss war ein französischer Anthropologe, der unser Verständnis der menschlichen Kultur revolutionierte. Seine strukturelle Anthropologie konzentrierte sich auf die unsichtbaren, universellen Denkstrukturen, die die Menschheit unter der Oberfläche vielfältiger Traditionen verbinden. Er lehnte die Ansicht ab, die westliche Zivilisation sei überlegen, und betonte, dass der 'wilde Geist' ebenso rational und komplex sei wie der 'zivilisierte'. Seine Arbeit untersucht tiefgreifende Muster in Mythen, sozialen Ordnungen und Heiratsregeln und deckt gemeinsame mentale Kategorien über Kulturen hinweg auf. Lévi-Strauss lud die Leser ein, Annahmen über die menschliche Natur und den kulturellen Relativismus zu überdenken.







Das Nahe und das Ferne
Eine Autobiographie in Gesprächen mit Didier Eribon
Im Alter von achtzig Jahren erklärte sich einer der einflussreichsten Intellektuellen des 20. Jahrhunderts bereit, ein Interview zu geben, sein erstes Interview seit fast dreißig Jahren. »Ein Ereignis«, jubelte Le Figaro. Im Gespräch mit dem Bestsellerautor Didier Eribon blickt Claude Lévi-Strauss auf die Stationen seines Lebens und Schaffens zurück – frühe Freud- und Marx-Lektüren, seine Flucht nach New York, Freundschaften mit André Breton und Max Ernst, seine Kritik am Kolonialismus und Cartesianismus, seinen anhaltenden Kampf für einen radikalen Humanismus. Und immer wieder wird deutlich, dass die historischen Ereignisse Lévi-Strauss’ Schicksal genauso beeinflusst haben wie er das Denken unserer Epoche. Aber auch private Betrachtungen kommen in diesen Gesprächen nicht zu kurz. Eindrücklich erzählt er von seiner Liebe zur Musik, zur Malerei, zu Blumen, und warum er, der große Ethnologe, nie gern auf Reisen gegangen ist. Claude Lévi-Strauss’ Erinnerungen sind die Confessiones eines herausragenden Gelehrten – und gleichzeitig ein bedeutendes Dokument europäischer Geistesgeschichte.
"Traurige Tropen" meint das Aussterben der "primitiven" Kulturen in ihrer Konfrontation mit dem zivilisatorischen sogenannten "Fortschritt", mit seiner imperialistischen Zerstörungswut und seinen Krankheiten - in diesem Falle das Aussterben der Indianervölker im Mato Grosso (Brasilien), zu denen Levi-Strauss mehrere ausgedehnte, ebenso abenteuerliche wie gefährliche Expeditionen unternahm.
»Es gehört zu den vorrangigen Absichten der strukturalen Anthropologie, zwischen den Begriffen, welche die Phänomene der Gesellschaft beschreiben, Beziehungen zu entdecken, die nicht anekdotische Zufälle sind, die vielmehr eine Systematik aufweisen, hinter der sich eine einsichtige Kohärenz abzeichnet. Und eben das ist das Neue an dieser Art anthropologischer Forschung: den Phänomenen der verschiedenen Bereiche wie Ökologie, Ökonomie, Politik, Recht, Philosophie, Religion, Kunst, Küche usw., die der fachlich beschränkte Partikularismus am liebsten wie solitäre Blöcke behandelt sähe, einen Zusammenhang und eine wechselseitige Interdependenz zuzutrauen, die sie zu dem funktionsfähigen Netz einer Gesellschaft flechten, das mit einer durchgängigen Logik geknüpft ist.« (Michael Oppitz)
In Der Weg der Masken wendet der Ethnologe Claude Levi-Strauss seine strukturalistische Betrachtungsweise von Mythen erstmals auf sichtbare, künstlerische Objekte an - nämlich auf die Masken der Indianer an der Küste des Pazifischen Ozeans in Britisch-Kolumbien und Alaska. Entstanden ist eine faszinierende kleine Studie, in der Claude Levi-Strauss zeigt, wie diese Masken zu betrachten sind: nicht als isolierte Gegenstände, sondern eingebettet in Transformationsbeziehungen hinsichtlich ihres Gründungsmythos, ihrer Funktion und ihrer materiellen Beschaffenheit.
Was ist der Platz der japanischen Kultur in der Welt? Lassen sich Kulturen überhaupt miteinander vergleichen? Das sind zwei der Fragen, die den Japanreisenden Claude Lévi-Strauss umgetrieben haben. Seine Antworten finden sich in seinen Schriften über Japan. Obwohl Lévi-Strauss das fernöstliche Land erst spät in seinem Leben durch eigene Reisen kennengelernt hat, verband ihn bereits seit seiner Kindheit eine tiefe ästhetische Zuneigung zur japanischen Kunst und die japanische Musik war neben der europäischen Klassik die einzige, die ihn berührte. Später beschreibt er Japan als die einzige moderne Gesellschaft, der eine Balance zwischen der Treue zur Tradition und dem rasanten wissenschaftlichen und technischen Fortschritt gelungen ist – ein Beispiel einer humanen Moderne. Die aus diesen Erfahrungen und Betrachtungen gespeiste Zuneigung zu Japan spiegelt sich in den einzelnen Schriften, die das Buch nun versammelt: darunter wunderbare Stücke über den shintoistischen Sakraltanz oder den japanischen Zen-Meister und Maler Sengai, die einen großen, anteilnehmenden Beobachter zeigen.
Von 1989 bis 2000 hat Claude Lévi-Strauss für die italienische Zeitung »La Repubblica« sechzehn Artikel verfasst, in denen er aktuelle Ereignisse und Tendenzen der modernen Gesellschaft begleitend kommentiert. Zusammen mit seinem legendären Essay »Der hingerichtete Weihnachtsmann« erscheinen diese kleinen Meisterwerke nun erstmals in einem Band versammelt in deutscher Sprache. Die Themenvielfalt der Stücke ist schier überwältigend: Aus Anlass des Todes von Lady Di unternimmt Lévi-Strauss eine Analyse der Bedeutung von Verwandtschaftsverhältnissen, eines seiner großen Lebensthemen; er setzt sich mit dem Bevölkerungswachstum und der Entwicklung des Menschen seit seiner Entstehung in Afrika auseinander, mit der Massentierhaltung und der Landwirtschaft oder mit den heftig diskutierten Ritualen der Beschneidung von Mädchen und Jungen in verschiedenen Kulturen; die Organtransplantation wird ebenso behandelt wie das Denken Michel de Montaignes oder Auguste Comtes; und in dem titelgebenden Essay »Wir sind alle Kannibalen« vergleicht er die Epidemie des Rinderwahnsinns auf kongeniale Weise mit der Krankheit Kuru, die sich in Papua-Neuguinea zu Beginn des letzten Jahrhunderts durch eine Form von Kannibalismus seuchenartig verbreitete. Ein Buch, das den ungeheuren Gedankenreichtum sowie den Scharfsinn und die Originalität eines der ganz großen Intellektuellen des 20. Jahrhunderts exemplarisch vor Augen führt.