Theoretische Überlegungen zum Zusammenhang von Religion und Marketing
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Die Analyse beleuchtet, wie evangelikale Organisationen in den USA gezielt Brandingkampagnen durchführen, um neue Mitglieder zu gewinnen und zu halten. Diese Kampagnen folgen spezifischen Regeln, die sich im ständigen Aushandlungsprozess befinden und durch marktwirtschaftliche Aspekte beeinflusst werden. Die Entwicklung von Marken, die mit anderen Produkten konkurrieren, ist zentral, wobei Heilsversprechen und die Förderung von Interessengruppen eine Rolle spielen. Besonders deutlich wird dies im Corporate Design, das durch bewusst gewählte Logos und Farben die Identität der verschiedenen Ministries innerhalb der Megachurchen prägt.
Textprobe: Kapitel 4.2.1 Die modernen Konsumenten/Konsumentinnen: Mara
Einstein beschreibt in ihrem Werk Brands of Faith: Marketing religion in a
commercial age eine starke Veränderung im Konsumverhalten der Amerikaner, das
sich im Laufe der sechziger Jahre des 20. Jahrhunderts entwickelte.
Kaufentscheidungen wurden von immer jüngeren Konsumenten/Konsumentinnen
getroffen und das Fernsehen avancierte zu der entscheidenden Plattform für
Produktmarketing . Geld war etwas, das man ausgeben konnte, um den eigenen
Lebensstandard zu verbessern. Der technische Aufschwung, den der 2. Weltkrieg
mit sich gebracht hatte, führte zu einem Lebenswandel, der bedeutend
kurzweiliger und mehr auf das Konsumieren ausgerichtet war. Einstein spricht
vom Modern Day Consumer. Amerikaner, die direkt nach dem 2. Weltkrieg geboren
wurden (Baby Boomer, Generation X, Gerneration Y) wuchsen in einer Zeit des
Wohlstands auf. Ein Unterschied zur Vorkriegsgeneration war, dass Kinder
bereits sehr früh gefragt wurden, was sie begehrten und wollten. Sie
charakterisiert die Nachkriegsgenerationen als Individuen, die man seit ihrer
Geburt als solche erzogen hatte. Auch Usunier und Stolz beschreiben in ihrem
Sammelwerk Religions as Brands: New Perspectives on the Marketization of
Religion and Spirituality grundlegende Veränderung im Konsum von Religion
Mitte des 20. Jahrhunderts. Sie erwähnen den sozialen Druck, der durch
gesellschaftliche Verhältnisse auf Individuen ausgeübt wurde. Damit erwähnen
sie einen Bestandteil der Religionsökologie, den Anne Koch unter Berufung auf
Bourdieu in ihrer Arbeit zum Thema macht. Sozialer Druck kann das
Wahlverhalten beeinflussen. Noch weit bis in die zweite Hälfte des letzten
Jahrhunderts war eine Zuordnung zu großen religiösen Organisationen dadurch
Teil der sozialen Identität vieler Akteure. Doch durch die industrielle
Revolution und das stetige Wachstum der Mittelschicht änderten sich die
Wertesysteme und wurden mehr und mehr von kapitalistischen Prämissen und
Wünschen bestimmt. Hinzu kam das höhere Pro-Kopf-Einkommen der Mittelschicht,
was die individuelle Handlungsmacht ständig vergrößerte. Durch die
neugewonnene finanzielle Sicherheit war ein Grundbedürfnis gedeckt, das laut
Usunier und Stolz vorher von traditionellen religiösen Strömungen befriedigt
wurde. Dies führte zur Möglichkeit der Neuorientierung in Bezug auf die eigene
Religion und Selbstverortung. Auch die höhere Mobilität trug zu einem
Hinterfragen der eigenen Kultur bei und unterstützte die Entwicklung einer
kulturellen Vielfalt. Spezialisierte religiöse Produkte haben zu einer
Erweiterung des Marktes genauso beigetragen, wie auch Produkte, die mit
Spiritualität und Heilsversprechen versehen wurden. Sie stehen für einen Teil
der Consumer Religion, in der Religiosität keinen festen Ankerpunkten mehr
zugeordnet ist. Die Frage, welche Motivation religiöse Organisationen zur
Transformation bewegte, bleibt jedoch bestehen. Usunier und Stolz liefern
diesbezüglich einen Erklärungsversuch: Konsumenten erwarten eine hohe Qualität
und Professionalität in Bezug auf religiöse Inhalte wie Messen, Musik und
Prediger. Auch die Örtlichkeiten dürfen den Annehmlichkeiten anderer Orte des
sozialen Lebens in nichts nachstehen. Vom Campus einer religiösen Einrichtung
wird erwartet, dass genügend Parkmöglichkeiten vorhanden sind und auch
Einkaufsmöglichkeiten oder Restaurants in unmittelbarer Nähe zur Verfügung
stehen. Das Gesamterlebnis muss sowohl convenient als auch unterhaltsam sein.
Religiöse Organisationen, wie evangelikale Großkirchen kopieren in vielerlei
Hinsicht erfolgreiche Formate mit weitgehend säkularem Hintergrund. Mara
Einstein schreibt dazu: Consumer have a highend expectation of being
entertaint which is usually met with music and dramatic presentations.
Predigten werden mit Musik untermalt und von digitalen Präsentationen
begleitet. Auch eigene Musikproduktionen und professionelle Musiker gehören
zum