Die Maxime »Handle unternehmerisch!« ist der kategorische Imperativ der Gegenwart. Ein unternehmerisches Selbst ist man nicht, man soll es werden. Und man wird es, indem man sich in allen Lebenslagen kreativ, flexibel, eigenverantwortlich, risikobewußt und kundenorientiert verhält. Das Leitbild ist zugleich Schreckbild. Was alle werden sollen, ist auch das, was allen droht. Der Wettbewerb unterwirft das unternehmerische Selbst dem Diktat fortwährender Selbstoptimierung, aber keine Anstrengung vermag seine Angst vor dem Scheitern zu bannen. Ulrich Bröcklings grundlegende soziologische Studie nimmt diese Ambivalenz in den Blick und spitzt sie zu einer Diagnose der gegenwärtigen Gesellschaft zu.
Ulrich Bröckling Bücher






Gute Hirten führen sanft
Über Menschenregierungskünste
Die Soziologie der Menschenregierungskünste beobachtet Gesellschaft als Arrangement von Selbst- und Fremdführungsstrategien. In seinem neuen Buch analysiert Ulrich Bröckling übergreifende Handlungsorientierungen wie Planung, Prävention und Resilienz, Verfahren der Konfliktbearbeitung, kommunikative Technologien, Programme der Kontraktpädagogik sowie Konzepte subtiler Verhaltenslenkung, wie sie etwa unter dem Label des »Nudging« propagiert werden. Auf Krisen sozialer Integration reagieren diese Methoden mit der Stärkung ihrer Selbststeuerungspotenziale. Statt auf Zwang oder Strafmaßnahmen setzen sie auf Kontextsteuerung und kybernetische Rückkopplungsschleifen.
Glossar der Gegenwart
- 319 Seiten
- 12 Lesestunden
Von Aktivierung bis Zivilgesellschaft, von Beratung bis Wellness – das Glossar der Gegenwart versammelt Leitbegriffe von heute. Vierundvierzig Artikel untersuchen Konzepte von »mittlerer Reichweite«, aber hoher strategischer Funktion, die in den aktuellen Debatten eine Schlüsselstellung einnehmen: Deutungsschemata, mit denen die Menschen sich selbst und die Welt, in der sie leben, interpretieren; normative Fluchtpunkte, auf die ihr Selbstverständnis und Handeln geeicht sind; konkrete Verfahren, mit denen sie ihr Verhalten zu optimieren suchen. Die Artikel präparieren die Antinomien gegenwärtiger Selbst- und Sozialverhältnisse heraus und verbinden wissenschaftliche Analyse mit politischer Diagnostik und Kritik. In der Summe ergibt sich ein Register zeitgenössischer »Menschenregierungskünste« (Foucault).
Armeen und ihre Deserteure
Vernachlässigte Kapitel einer Militärgeschichte der Neuzeit
- 322 Seiten
- 12 Lesestunden
Der archimedische Punkt politischer Herrschaft ist ihr Anspruch auf die Ausübung legitimer Gewalt. Dafür werden Menschen in Dienst genommen und erheblichen Gefahren ausgesetzt. Deserteure stellen diesen Anspruch in Frage. Trotz der Brisanz dieses Themas schweigen die meisten Geschichtsbücher darüber. Wenn die Desertion überhaupt öffentlich thematisiert wurde, dann zumeist in einer zeitlich und politisch verengten Perspektive. In diesem Band wird die Desertion nicht als isoliertes Phänomen betrachtet. Die Beiträge behandeln die Desertion und die Deserteure von den Söldnerheeren des 16. Jahrhunderts bis zu den Berufs- und Wehrpflichtarmeen der Gegenwart. Wie wurde der Militärdienst politisch gerechtfertigt? Wie wirkten sich die Art der Rekrutierung, die Behandlung und Versorgung der Soldaten auf die Desertion aus? Was bestimmte die Motivation, die Loyalität und die Einsatzbereitschaft der Soldaten? Wie wurde Desertion juristisch, politisch, moralisch und zuweilen sogar medizinisch bewertet, wie wurde sie verfolgt und bestraft? Es zeigt sich, daß die Geschichte der Desertion nicht von der Geschichte des Militärs zu trennen ist. Desertion ist immer eine Reaktion auf militärische Normen und Anforderungen, sie bringt epochenspezifische militärische Strukturen zum Ausdruck. Mehr noch: Da die Menschen kaum irgendwo so direkt dem Zugriff der politischen Herrschaft ausgesetzt sind wie in der Armee, wirft die Geschichte der Desertion in der Neuzeit auch ein Licht auf das moderne Staatswesen von seiner ersten Ausformung als Fürstenstaat bis zum modernen Verfassungsstaat. Dieser Band vermittelt einen ersten Überblick über ein Thema, das von der historischen Forschung gerade erst entdeckt wird.
Starke Männer – Figuren disruptiver Politik
Mittelweg 36, Heft 3-4 | Juni/Juli 2023
Starke Männer sind aus dem politischen Geschehen der Gegenwart nicht mehr wegzudenken, mögen sie nun Donald Trump, Wladimir Putin, Xi Jinping, Viktor Orbán, Recep Tayyip Erdoğan, Jair Bolsonaro, Narendra Modi oder Rodrigo Duterte heißen. Sie sind »Figuren disruptiver Politik« und als solche erstaunlich erfolgreich. Das aktuelle Heft fragt nach Erklärungen für das gehäufte Auftreten Starker Männer in der politischen Welt des 21. Jahrhunderts. »Die Strongmen des 21. Jahrhunderts sind ein globales und ein in vielen Farben schillerndes Phänomen. Was sie eint, auch wenn nicht jeder von ihnen alle Merkmale in gleicher Ausprägung zeigt, ist ein disruptiver Politikstil, der historisch gewachsene politische Allianzen erschüttert, mit bestehenden Inszenierungsroutinen und politischen Gepflogenheiten bricht sowie Misstrauen gegenüber staatlichen Institutionen schürt. Auch stehen die Starken Männer für eine distinkte Personalisierung des politischen Feldes, die heroisch akzentuiert ist. Sie zeichnen das Bild einer antagonistischen Welt voller Feinde, in der nur diejenigen eine Chance haben, die alle Tricks beherrschen und rücksichtslos ihre Interessen verfolgen.« Ulrich Bröckling / Dorna Safaian / Nicola Spakowski
Das Andere der Ordnung
Theorien des Exzeptionellen
Im Zentrum sozial- und kulturwissenschaftlicher Forschung stehen Fragen der sozialen Ordnung, die auf spezifischen Ordnungsvorstellungen basieren. Diese beinhalten die Analyse von Regeln, Mustern und Strukturen, die das Soziale als vielschichtigen Ordnungszusammenhang darstellen. Dazu gehören Klassen, Funktionssysteme, Netzwerke und Subjektivierungsweisen. Ordnungskonzeptionen sind jedoch immer auch mit Vorstellungen von Nicht-Ordnung verbunden, die oft nur als Ausnahme oder Störung betrachtet werden. In vielen Theorien wird das Andere der Ordnung als Epiphänomen relegiert, was zu einer einseitigen Betrachtung führt. Der vorliegende Sammelband bietet eine neue Perspektive auf diesen Ordnungsbias, indem er das Andere der Ordnung in den Fokus rückt. Dabei wird nicht nur das Irreguläre und Außerordentliche, sondern auch das Ereignishaft und Inkommensurable untersucht. Die Beiträge von verschiedenen Autoren beleuchten diese Aspekte und stellen die weniger ausgearbeiteten Theoriefiguren in den Mittelpunkt, die oft als bloße Problemanzeige fungieren. Eine systematische Einleitung der Herausgeber ergänzt die Diskussion und eröffnet neue Forschungsansätze in der Auseinandersetzung mit sozialen Ordnungen und deren Alternativen.
Das Politische denken
Zeitgenössische Positionen
Die Unterscheidung zwischen der Politik und dem Politischen ist eine, wenn nicht die Leitdifferenz zeitgenössischer Sozialphilosophie. Verweist der Begriff der Politik auf die institutionelle Ordnung, die staatliche Verwaltung des Gemeinwesens, so betont der Begriff des Politischen die unhintergehbaren Momente des Dissenses und Widerstreits, des Ereignisses und der Unterbrechung. Das breite Spektrum an Theorieansätzen, die von dieser Unterscheidung ausgehen, gehört zum Kernbestand der Lehre in den Bachelor- und Master-Studiengängen der Politikwissenschaft, der Philosophie und der Soziologie, insbesondere in den Modulen zur Politischen Theorie, zur Politischen Philosophie und zur Soziologischen Theorie. Der Band enthält einführende Überblicksdarstellungen zu den wichtigsten Theoretikern des politischen Denkens der Gegenwart, u. a. zu Rancière, Nancy, Badiou, Laclau/Mouffe, Latour und Derrida, und lässt sich ebenso als umfassendes Nachschlagewerk wie als Einführung zu einzelnen Autoren verwenden.
Vernunft - Entwicklung - Leben
Schlüsselbegriffe der Moderne. Festschrift für Wolfgang Eßbach
Vernunft, Entwicklung, Leben sind Schlüsselbegriffe einer Moderne, die in der Aufklärung des 18. Jahrhunderts einen ersten Höhepunkt erreicht; einer Moderne, welche die sozialen Spannungen des 19. Jahrhunderts mit dem Verweis auf die Besserstellung aller wenn schon nicht zu lösen, so doch zu mildern vermag; einer Moderne schließlich, welche im 20. Jahrhundert die Frage nach der conditio humana zunächst auf den Gebieten der Technik und der Kunst, dann aber auch auf dem der Biologie neu stellt. Vernunft, Entwicklung, Leben ist auch ein programmatischer Aufsatz Wolfgang Eßbachs überschrieben, der den ihm zum 60. Geburtstag gewidmeten Band eröffnet. Mit Beiträgen von Ulrich Bröckling, Wolfgang Eßbach, Joachim Fischer, Susanne Fohler, Susanne Frank, Alois Hahn, Frank Illing, Stefan Kaufmann, Thomas Keller, Thanos Lipowatz, Wolfram Lutterer, Michael Makropoulos, Axel T. Paul, Karl-Siegbert Rehberg, Willem van Reijen, Dominik Schrage, Hermann Schwengel, Dierk Spreen, Bernhard Waldenfels, Dietmar Wetzel