Dieser Denker der Renaissance wurde berühmt für seinen kühnen Vorschlag, neunhundert Thesen zu Religion, Philosophie und Naturphilosophie zu verteidigen. Seine gefeierte "Rede über die Würde des Menschen", die als "Manifest der Renaissance" gilt, befasst sich mit tiefgründigen Fragen nach dem Platz des Menschen im Kosmos. Dieser grundlegende Text des Renaissance-Humanismus preist das Potenzial des menschlichen Geistes. Sein Vermächtnis liegt in seiner Vision des Menschen als freies Wesen, das zur Selbstbestimmung fähig ist.
In der Oratio de hominis dignitate (1486), nach Jacob Burckhardt "eines der edelsten Vermächtnisse der Renaissance", erklärt Pico della Mirandola (1463-1494) die Freiheit zum konstitutiven Element der Wesenswürde des Menschen, da sie es ihm erlaubt, das zu sein, was er will. Als produktiver Denker kann der Mensch dem Höchsten nachstreben und bis in die unmittelbare Nähe Gottes aufsteigen. Textvorlage für die Übersetzung war die der kritischen Ausgabe von Florenz 1942 folgende Ausgabe von Garin 1968. Die hebräischen Zitate wurden berichtigt, die Anmerkungen der Ausgabe von Garin entnommen. Mit Einleitung, Auswahlbibliographie und Namenregister
Die Ausgabe von 1905 aus Jena und Leipzig bewahrt die alte deutsche Rechtschreibung, bietet jedoch eine leicht modernisierte und geprüfte Textfassung. Dies ermöglicht einen Zugang zu historischen Inhalten, während die Lesbarkeit für moderne Leser verbessert wird.
Lange Zeit galten Renaissance und Humanismus als antichristliche Erscheinungen und nicht selten sieht man in ihnen den »Sündenfall des Abendlandes«. Eine solche Auffassung konnte nur entstehen, weil die Forschung bis jetzt an der Theologie des Humanismus etwas verlegen vorübergegangen ist, sodass uns von manchen Vertretern des christlichen Humanismus fast nur der glänzende Name überliefert ist. So wird von allen Freunden eines christlichen Humanismus und der europäischen Bildung eine Auswahl aus den Schriften Picos von Mirandola, des »Novalis der Renaissance«, begrüßt werden, die nicht nur die anziehende Persönlichkeit eines fein gebildeten, weitherzigen und bei aller Begeisterung für das Schöne und Wahre doch frommen und demütigen Gelehrten wieder lebendig macht, sondern auch durch die Tiefe der Gedanken und praktische Lebensweisheit dem modernen Menschen viel zu geben hat.
The Oration by philosopher Giovanni Pico della Mirandola (1463-1494), to which
later editors added the subtitle On the Dignity of Man, is the most famous
text written in Italy at the height of the Renaissance. The Life of Giovanni
by Gianfrancesco Pico, his nephew, is the only contemporary account of the
philosopher's brief and astonishing career.
Diese Ausgabe bietet erstmals einen Schlüsseltext für die Reformation der Metaphysik in der Philosophie der Renaissance in deutscher Übersetzung. Der lateinische Text ist beigegeben. Die ausführliche Einleitung und ein sorgfältiger Kommentar erschließen die richtunggebenden Pointen, die Pico mit dieser Schrift gesetzt hat.
Giovanni Pico della Mirandola war gerade einmal 23 Jahre alt, als er seine Neunhundert Thesen im Jahr 1486 in Rom mit der Schlussbemerkung veröffentlichen ließ, dass er persönlich jedem Gelehrten, der zur Disputation über die Thesen nach Rom kommen wolle, die Reisekosten erstatten würde. Pico hatte sich damit ein Ziel von bisher nie dagewesenen Ausmaßen gesetzt: Mit allen Gelehrten des Abendlandes wollte er vor dem Papst über alle Lehrsätze der verschiedenen Völker und deren Denker disputieren, über die Kabbala und die zoroastrischen Weisheitslehren wie über die verschiedensten Thesen des Neuplatonismus, der mittelalterlichen Scholastik, der Orphik und der arabischen und chaldäischen Weisheit. Das Ziel war die Versöhnung aller im Abendland bis dahin bekannten Autoritäten und die Zusammenführung der philosophischen und theologischen Traditionen des 15. Jahrhunderts zu einer christlichen Weisheit. Pico stellte sich die Veranstaltung als einen gewaltigen Kongress vor, für den die Neunhundert Thesen die Diskussionsgrundlage bilden sollten. Während die ersten 400 Thesen eine Zusammenstellung konfligierender Lehrmeinungen darstellen, sind die zweiten 500 »Thesen gemäß der eigenen Ansicht«, also – schon das ein unerhörtes Novum – ganz eigene Positionen Picos, die von der gängigen Art des Philosophierens abweichen. Allein – der Papst ließ 13 der Thesen auf den Index setzen und den gesamten Text verbieten. Die Versammlung, von der Pico geträumt hatte, fand niemals statt. Die bereits gedruckten Exemplare wurden eingezogen und zum Teil verbrannt. Pico wurde, nachdem er Rom verlassen hatte, verhaftet und exkommuniziert.