Ein Stück für die Bühne, ein Drama ohne Rednerwechsel, ein Lied ohne Kehrvers Im Gehen trägt er zusammen, was ihm begegnet, Tag für Tag, Schritt für Schritt: zwei Raben zu seinen Füßen, ein angebissener Apfel am Wegrand, der Fliegenschwarm, »der auf der Stelle fliegt«. Dazwischen Gedanken an den durch Weltgeschehen und -geschichte irrenden Odysseus, Erinnerungen an die Schlange am Kindswaldrand, der Klang der Regentropfen im Laub, das Bild der Wolkenschatten. Dann das »Lachen von Kindern am Horizont«, ihr ausgelassenes Spiel, das den Krach am Straßenrand übertönt. Dort findet er den Frieden, den es nicht gibt, »im Mundschwung des Kindes, dort herrscht er«. Bis der eine, der da unentwegt spricht, aufbricht und ein anderer kommentiert: »Angeblich soll er vor einiger Zeit noch gesehen worden sein, als letzter Fahrgast hinten zusammengekauert im allerletzten Nachtbus.« Schnee von gestern, Schnee von morgen ist ein Stück für die Bühne, ein Drama ohne Rednerwechsel, ein Lied ohne Kehrvers. Als ob Peter Handkes Figur sprechend und singend versucht, sich in die Stille einzuhören, also zugleich wegzuhören, Welt und Welterfahrung gerecht zu werden. Der Sprecher fällt sich selbst ins Wort, setzt neu an, und er sammelt nicht nur auf, was ihm im Gehen begegnet, sondern folgt auch den »Nachbildern bei geschlossenen Augen«.
Peter Handke Reihenfolge der Bücher
Peter Handke ist ein österreichischer Romanautor und Dramatiker, der für seine avantgardistischen Beiträge bekannt ist. Sein Werk taucht tief in die menschliche Psyche und die Welt ein, wobei es oft subjektive Erfahrungen und sprachliche Experimente betont. Handkes Texte erforschen die Grenzen von Wahrnehmung und Kommunikation und spielen dabei sowohl mit Form als auch mit Inhalt. Seine literarische Bedeutung liegt in seiner ständigen Suche nach neuen Ausdrucksformen und tiefgründigen Betrachtungen über das Wesen der Existenz.







- 2025
- 2023
Noch einmal vom Neunten Land
Peter Handke im Gespräch mit Jože Horvat
Die drei Gespräche, die Peter Handke mit dem slowenischen Freund Jože Horvat führte – 1987 in Salzburg, 1988 im Karst und im Dezember 1992 in Paris –, entfalten sich um slowenische Motive im literarischen Werk, über Sloweniens Unabhängigkeit und den Krieg. Der »Bewohner des Elfenbeinturms« weilte, saß, ist oft – meist zu Fuß – herumgekommen und hat viel, das Weite, das Enge, wahrgenommen – in seiner „Geh-Heimat“. Landschaften, vor allem der Karst, die Menschen und ihre Sprache, das Slowenische, finden sich im Schreiben wieder, im Buch wie dem Anfang der 80er Jahre verfaßten poetischen epischen Werk Die Wiederholung. So „heimisch“ es dem Autor im „Land der Erzählung“ erging, so kritisch zeigt er sich zur Staatswerdung von Slowenien. Bewandert in den Landen, die seit 1991 in Staatsgebilde und Kriegswirren zerfallen, fügt Handke gängigen Balkan-Schlagworten keine eilfertigen, abschätzigen Kommentare hinzu – vom Nachsinnen gelebter, erlebter und beobachteter Vielfalt erfahren wir. Wie schon der Abschied des Träumers vom Neunten Land. Da und dort auch unverstanden, mißbraucht, geben auch die Ansichten und Einwände in diesen Gesprächen, nicht mit ausgewogenem, wohl aber eigenes Erfahren wägendem Wort, immer wieder Anstoß – zum Bedenken. „In Die Wiederholung ist das gerecht beschrieben, nicht sine ira et studio, es ist nur erzählt … Das Poetische und das Politische kann man nicht trennen …“
- 2023
Die Ballade des letzten Gastes
Das neue Buch des Literaturnobelpreisträgers
Von einem anderen Erdteil kehrt Gregor zurück in die Heimat. Das »vormalige Vieldörferland« ist eine städtische Agglomeration geworden, vertraut und zum Verirren fremd zugleich. Auch die Familie hat sich verändert: Zwar wartet der Vater wie früher mit den Spielkarten, doch hat die Schwester überraschend einen Säugling auf dem Arm. Er, der große, ältere Bruder, soll der Taufpate des Kindes werden. Vom jüngeren Bruder Hans bleiben derweil nur die Todesnachricht, vom älteren der Familie verschwiegen, und Erinnerungen, zum Beispiel an den Unfall in den Brennesseln. Selbst der Obstgarten ist ein anderer geworden, noch immer an Ort und Stelle, aber längst nicht mehr zu retten. Es zieht ihn also in die Straßen und Gassen, ins Kino, ins Fußballstadion, in den Wald, und er geht und geht immer weiter. In Peter Handkes neuem Buch durchdringen sich Gegenwart und Vergangenheit, scheint das eine ins andere zu kippen, steht alles »auf Messers Schneide«. Auf seinem Weg zurück zur Familie, durch einstmals bekannte Landschaften hält der Erzähler immer wieder inne, Kindheitserlebnisse werden wachgerufen, innere Stimmen treten ins Zwiegespräch. Was einmal war, hat sich unwiderruflich verändert – und bleibt dennoch vertraut.
- 2022
Zum 80. Geburtstag von Peter Handke die Neuauflage eines seiner Prosastücke – mit Faksimiles der Handschrift und Fotografien von Isolde Ohlbaum. Die Esche, deren Individualität Peter Handke in diesem Band mit großer Genauigkeit beschreibt, erkundet, porträtiert, steht in einem Garten in der Schackstraße in der Mitte Münchens. Er nimmt ihre Form von der Ferne in Augenschein und ihren Stamm (und das Leben auf ihm) von der Nähe, ihn interessieren die Äste und das Laub, aber auch ihr Charakter und ihre Haltung. Es ist eine Binsenwahrheit, dass kein Baum dem anderen gleiche, aber wie diese Einmaligkeit beschreiben? Da die Esche in ihrer ganzen Schönheit und Größe existiert, hat Isolde Ohlbaum sie von allen Seiten aufgenommen: Auf ihren Bildern kann man sehen, wie der Baum sich reckt, um sich mit dem Siegestor zu messen. In seinem Nachwort beschreibt Michael Krüger den Standort des Baumes als Mittelpunkt der Welt. Der Band erscheint zum 80. Geburtstag des Dichters Peter Handke, dessen lange Blicke in das unerschöpfliche Buch der Natur mit zum Schönsten in seinem Werk gehören.
- 2022
Im vielfältigen Werk Peter Handkes gehören die Journale gewiss zu den Büchern, in denen uns Leserinnen und Lesern der Dichter am nächsten kommt, auch in seinem »Ideal«, in der »Souveränität eines, der von niemandem etwas will, von niemandem etwas fordert, von niemandem etwas erwartet«. Seine über die Jahre gesammelten Aufzeichnungen sind ein Wunder der Literatur. Handke zitiert darin (auswendig) aus seinen Lektüren, aus Tolstoi, Goethe, Doderer, Simenon, aus der Apostelgeschichte u. a., blättert im bereits knisternden Griechisch-Deutsch-Schulwörterbuch, schreibt an der »Obstdiebin«, später an »Zdenek Adamec« und an »Das zweite Schwert«, zweifelt, wundert sich, horcht, beobachtet mit zartem Blick seine nahe Umgebung und erdichtet wieder und wieder ein 11. Gebot. Wir dürfen ihn durch die Jahre bei all dem begleiten, auch durch die »Quarantänestille« der jüngsten Zeit
- 2022
Zwiegespräch
- 66 Seiten
- 3 Lesestunden
Der eine erinnert sich noch immer an jenen Theaterbesuch als Schulkind: nicht an das Stück, dafür an das Dekor, die Kulisse. Ein Urbild, das er auf seinen Wanderungen durch die Nachbarorte wiedererkennt, in einer Scheune, dem Haus auf dem Friedhof – und in ständiger Erwartung, dass die Türen aufgehen, die Fenster aufspringen, ein Mensch heraustritt. Der andere erinnert sich an seinen Urahn, den Großvater, der am Isonzo und in Galizien in den Schützengräben lag und mit den Tieren auf seine Art umging, die Schlange auf den Rechen spießte und die Hornissen lebendig im hohlen Baum einmauerte. Für ihn ein Spiel wie die sonntägliche Kartenrunde. »Wahr gesagt, alter Freund: Zwei besondere Narren sind wir, ein jeder auf seine Weise.« Mit unvergleichlicher Musikalität lässt Peter Handke zwei Sprecher auftreten. In der Wechselrede, ihrem Dialog, scheinen Bilder und Erinnerungen auf. Dabei im Zentrum: der Großvater, ein Spieler, und die Theaterbühne, ein Spielort. Das Spiel im Spiel? Ein meisterhaftes Zwiegespräch .
- 2022
Tausende Notizbuch-Seiten wurden von Peter Handke seit Anfang der siebziger Jahre beschrieben. Diese Hefte, Bücher, Blöcke, die in Jacken- oder Hosentasche passen, sind seine ständigen Begleiter, zuhause wie unterwegs. Aufgezeichnet werden Selbstgespräche und poetische Reflexionen, Einfälle und Ideen für literarische Projekte, vor allem aber Gesehenes, Gelesenes und Gehörtes. »Ich übte mich nun darin, auf alles, was mir zustieß, sofort mit Sprache zu reagieren, und merkte, wie im Moment des Erlebnisses gerade diesen Zeitpunkt lang auch die Sprache sich belebte und mitteilbar wurde«, so Peter Handke zur Praxis seines Notierens. Anlässlich des 80. Geburtstags des Nobelpreisträgers wird nun eines dieser Notizbücher erstmals vollständig in einer Transkription der Handschrift veröffentlicht. Es dokumentiert vor allem eine ausgedehnte Reise, die Peter Handke im Sommer 1978 zu Fuß, mit dem Bus und per Bahn unternahm und die ihn von seiner Herkunftsgegend Kärnten nach Slowenien, in den Karst und weiter nach Norditalien führte. Neben dem fortlaufend Niedergeschriebenen erweisen sich auch die vielen, teils ganzseitigen Zeichnungen als wichtige Vorarbeiten für die später erschienenen Erzählungen, insbesondere Langsame Heimkehr und Die Wiederholung.
- 2021
Mein Tag im anderen Land
Eine Dämonengeschichte
In der Gegend gilt er als Besessener, »besessen nicht allein von einem, sondern von mehreren, vielen, gar unzähligen Dämonen«. Tags geht er, der eigentlich Obstgärtner ist, durch den Ort. Leise redet er in Zungen in einer nichtexistierenden Sprache, erschreckt die Dorfbewohner mit Beschimpfungen und Schmähreden, mit Orakelsprüchen. Nur die Schwester hält zu ihm, die Eltern leben schon lang nicht mehr. Sie beobachtet, wie er anderen Lebewesen, Tieren zuspricht, und will nicht wahrhaben, dass er wie aus der Kehle eines Engels singt. Sie folgt ihm, auch an den See »mit dem anderen Land an dem Ufer gegenüber« – dort blickt ihn ein Mann an, wie er »noch keinmal von einem Menschen angeblickt worden war«, und da fahren die Dämonen aus ihm heraus. So macht er sich, »nach einem freilich langgezogenen Abschied, auf den Weg hinüber ins andere Land«. Peter Handke erzählt von Dämonen, die ihren Schrecken verlieren im Blick desjenigen, der sagt: »Da bist du mir ja wieder, mein Freund!« Im Moment, in dem der Besessene so ist, wie er da war. Er erzählt von einer poetischen Verwandlung, einer Befreiung, die neben den Harmonien das »unausrottbar Widerständige« bewahrt; denn: »Ohne es wird nichts. Ohne es nichts als Dasein, Dortsein, und ewig unbeseeltes Sein.«
- 2020
In »Eine weitläufige Szene« wird das Schicksal von Zdenek Adamec beleuchtet, der sich 2003 aus Protest selbst verbrannte. Die Erzählung spielt an einem öffentlichen Ort und thematisiert die Reflexion der Spieler über sein Leben und die Welt. Handkes Figuren diskutieren, erinnern und versuchen, Zdenek ins Leben zurückzurufen.
- 2020
Für die Vorzugsausgabe seines jüngst erschienenen Zeichnungsbuchs hat uns Peter Handke eine Suite von 20 Pilzdrucken geschaffen, die wir Ihnen als Zyklus in Buchform vorstellen wollen, bevor die Blätter, die alle Unikat-Charakter haben, an Handke-Sammler in der ganzen Welt zerstreut werden. 0Handkes Pilzdrucke haben als Ausgangspunkt kleine Pilze, die er auf seinen Spaziergängen im Wald findet und in seinen Notizbüchern presst. Dabei entstehen nach dem Zufallsprinzip der Natur seltsam phantastische Figuren, in denen in Blasen gelblich-brauner Flüssigkeit, die sich aus der Feuchtigkeit der Pilze durch den Vorgang des Pressens ergibt, die getrockneten Reste der Schwämme zurückbleiben wie Zellkerne in einer Plazenta. Die kleinen monochromen Blätter, die in allen Schattierungen von Braun bis Schwarz changieren, sind von hohem graphischen Reiz. Sie erinnern in ihrer Leichtigkeit und Zartheit an die schwarzweißen Aquarelle von Victor Hugo oder die graphischen Blätter des Komponisten John Cage. Mit kurzen Textzitaten aus Peter Handkes Buch Versuch über den Pilznarren





