Die vorliegenden Satiren gehen zurück auf den 1966 erschienenen Prosaband »Geschichten vom Handwerk«. Sie stellen aus serbischer Sicht, und gebrochen durch die Optik eines Kindes, große Ereignisse dar: das Ende des zweiten Weltkriegs, die Befreiung Beograds vom Hitlerfaschismus, die ersten Jahre des Aufbaus einer sozialistischen Gesellschaftsordnung in Jugoslawien. Scheinbar naiv und wahllos, dabei aber wohlkalkuliert, vermengt der Erzähler Authentisches mit Fiktivem, Nebensächliches mit Wesentlichem, Banalitäten mit tragischen Vorkommnissen, und unterzieht die historisch-heroische Epoche nebst ihren späteren Darstellungen sowie vor allem ihre Auswirkungen auf das private Leben einer ironisch-kritischen Analyse, einer Analyse, die im wesentlichen von dieser Zeit selbst vorgenommen wird: ihr Jargon, ihre rasch zu Klischees erstarrten Parolen und Verhaltensregeln bedürfen nur eines intelligenten Organisators, um sich großenteils selbst ad absurdum zu führen. Den hat das schier unerschöpfliche Material jener so bewegten Zeit in Bora Cosic zweifelsohne gefunden.
Bora Ćosić Bücher
Bora Ćosić ist ein Autor, dessen Werke sich durch einen satirischen und polemischen Ton auszeichnen und die sozialen und historischen Realitäten seiner Heimat erforschen. Er nutzt oft die Perspektive eines Kindes, um die Absurdität des täglichen Lebens aufzudecken, wobei sein erzählerischer Stil einer Montage gefundener Materialien ähnelt. Durch diesen ausgeprägten Ansatz enthüllt er die komplexen Verbindungen zwischen persönlichen Geschichten und großen historischen Ereignissen. Sein Schreiben, das oft von literarischen Größen inspiriert ist, stellt einen kontinuierlichen Prozess der Entdeckung und Verflechtung von Bedeutungen dar.






Die Reise eines Schriftstellers auf den Spuren Marcel Prousts in der Normandie geht gleich zu Beginn gründlich schief, denn das befreundete französische Ehepaar will in ein bretonisches Städtchen, in dem Proust nie war. Die kleine Reisegesellschaft quartiert sich im Hotel Armor ein. Der übergriffige Portier, der vor Kraft und Klischees über »uns« und »die anderen« nur so strotzt, liefert dem kränkelnden Schriftsteller reichlich Stoff zum Nachdenken. Nachdem seine Frau zu einem Vortrag enteilt und das befreundete Ehepaar wieder in Paris ist, bleibt er allein im tristen Tréboul zurück und wertet fröhlich grummelnd Dekadenz und Langeweile um. Seine eigene Suche nach der verlorenen Zeit karikiert jedes Pathos, voller Selbstironie und Witz zerpflückt der Ich-Erzähler eine vermeintliche Selbstverständlichkeit nach der anderen, am Ende auch den eigenen Traum vom Buch über Proust. »Im Zustand stiller Auflösung« ist eine hochkomische Suada, wie sie schon bei Ćosićs großem Familienepos Die Tutoren anklang. Auch hier verbirgt sich hinter seinem geistreichen Hadern eine mutige Kritik an den Auflösungserscheinungen der europäischen Kultur.
Die Zollerklärung. Aus d. Serb. v. Katharina Wolf-Grieshaber
- 153 Seiten
- 6 Lesestunden
„Die Zollerklärung“ ist die Lebensbilanz eines mitteleuropäischen Intellektuellen, geprägt von der Melancholie des Abschieds. Es ist ein literarisches Dokument über Emigration und Heimatverlust, das auch heute noch relevant ist.
Operation Kaspar
Roman
Vom »Stall« über »die Straße« zum »Garten« führt der eigenartige Weg eines namenlosen Ehepaars in mittleren Jahren. Der Stall ist eine großbürgerliche, aber vermüllte Wohnung in irgendeiner europäischen Stadt des vergangenen Jahrhunderts. Umgeben von Zeitungen und wuchtigen Möbeln, dreht der Ehemann darin ab und zu mit dem Fahrrad eine Runde durch den Flur und sinniert über das Leben, die Frau kocht, fegt und näht wortlos Knöpfe an. Eines Tages durchbrechen sie die Routine, flüchten ins Ausland und finden sich mit nichts als einem überdimensionalen leeren Pappkoffer auf der Straße wieder. Dort werden sie von der Polizei aufgegriffen, die ihre Sprache nicht versteht und sie überfordert abschiebt. So landen sie im Garten, dessen Besitzer, Professor Daumer, Helfer für die Spargelernte braucht. Wie der Lehrer des berühmten Findelkindes Kaspar Hauser bringt er seinen Schützlingen anhand der Botanik eine neue Sprache bei. Doch eine Geheimoperation, die unbemerkt im Hintergrund abläuft, endet abrupt in einem Fiasko. Der »große alte, listig-heitere Mann der serbischen Avantgarde«, wie die Neue Zürcher Zeitung Bora Ćosic nannte, hat mit »Operation Kaspar« einen pointierten, hintersinnigen Roman geschrieben, der den alten Migrantentraum von Bildung und einem besseren Leben gnadenlos zerplatzen lässt.
Ein rasend komisches Buch über die entsetzliche Zeit der kommunistischen Diktatur. Eine heruntergekommene Familie in Belgrad will nur irgendwie überleben und gerät in aberwitzige Situationen. Die Weltrevolution verkommt zur Bagatelle.
"Wir sind die Kinder der Sonne, des Mondes und eines noch unentdeckten Planeten, auf dem nur wir drei Platz haben." Großmutter Laura, die älteste Fersehzuschauerin Europas, tyrannisiert ihren kleinen Familienkosmos. Sie sitzt im Rollstuhl vor dem Fernseher, zankt mit ihrer Tochter Danica und redet pausenlos. Weisheit und Unsinn ihrer Kommentare und Reminiszenzen, arrangiert von ihrem Enkel Bora Cosic, ergeben nichts Geringeres als eine "Enzyklopädie des Alltags" im 20. Jahrhundert.
Endlich auf Deutsch in Brigitte Döberts fulminanter Übersetzung: Bora Cosics großer europäischer Roman! Die Tutoren ist ein sprachliches Feuerwerk, ein Meisterwerk überbordender Komik, die Summe aller menschlichen Erfahrungen und die Parodie einer Familienchronik, die einen unbestechlichen Blick auf 150 Jahre europäische Alltagsgeschichte wirft. Bora Cosics hat eine in Slawonien angesiedelte Familienchronik geschaffen, die auf vielfältige Weise erzählt wird: anhand einer Rauferei in einer Kneipe, in Form eines Lexikons oder als Beratungsgespräch in einer Buchhandlung. Eine leidenschaftliche Sammlung kurioser Phänomene, das Werk eines gelehrten Spaßvogels - ein Kultbuch!
»Bora Cosic ist der große alte, listig-heitere Mann der serbischen Avantgarde, stark in der Polemik und noch besser in der Erinnerung.« Marko Martin, Neue Zürcher Zeitung »Auch Berlin ist ein Zustand.« Unter diesem Motto schreibt Bora Ćosić seine Erinnerungen an »Eine kurze Kindheit in Agram« fort, die in seiner Exilheimat Berlin lange Schatten wirft. In einer Reihe kurzer, an Walter Benjamin geschulter Reflexionen umkreist Ćosić Alltagsphänomene der Großstadt und ihrer Architektur als vieldeutige Zeichen der europäischen bürgerlichen Kultur und des Schreibens. Dabei spürt er in Details wie der Anordnung seiner eigenen Altbauwohnung, einer Gebäudefassade, einer Tür oder eines Aufzugs Metaphern für die moderne Psyche und Gesellschaft auf. So setzt er Berlin als Inbegriff des 20. Jahrhunderts in einer Art philosophischer Ausgrabung neu zusammen. Skeptisch gegenüber totalitären Geltungsansprüchen, betont er das Subjektive und Tentative seiner eigenen Betrachtungsweise, die die Dinge nur in Gestalt ihrer langen Schatten erfassen kann. Bora Cosic folgt in diesem Buch nicht nur den Schatten auf gewöhnlichen Gebäudemauern. Er erzählt in seinem unverwechselbaren ironischen und lakonischen Stil auch von der Mauer durch Berlin, dem geteilten Deutschland und von deren Ursachen in der europäischen Geistesgeschichte.
Eine kurze Kindheit in Agram
1932 - 1937
Der große serbische Erzähler erinnert sich an seine prägenden Jahre in Agram, wie Zagreb früher hieß. Dabei geht der Autor von DIE ROLLE MEINER FAMILIE IN DER WELTREVOLUTION diesmal zurück an den Anfang seiner Welt und versetzt sich mit einer schwebend reflektierenden Sprache in die Denkweise eines Kleinkindes, um staunend die Rätsel des Lebens zu enthüllen. Ćosićs präzise, eigenwillige und zutiefst philosophische Erinnerungen gehören in eine Reihe mit Benjamins BERLINER KINDHEIT UM 1900, Sartres DIE WÖRTER und Nabokovs ERINNERUNG, SPRICH. Wie das Kind erobert auch das Buch immer neues Terrain. Nach der Sackgasse mit der ersten Wohnung der Familie kommen allmählich die Nachbarstraßen, dann auch Kaptol und Oberstadt, schließlich mit Maksimir-Park, Save-Ufer und anderen Ausflugszielen die ganze Topografie Zagrebs in den Blick.



