JIŘÍ KRATOCHVIL – Er gilt als großer Erzähler der postrevolutionären tschechischen Prosa, dessen Stil vom literarischen Experiment, von der Postmoderne und vom magischen Realismus geprägt ist. In seinen Werken spiegelt sich seine Faszination vom Genius Loci Brünn und vom Wankelmut der Geschichte des zwanzigsten Jahrhunderts wider. Er knüpft seine Erzählungen nach Spinnenart: dehnbar und stabil, gründlich aufgebaut, aber auch trügerisch, betörend, hinterlistig. Sein reiches Werk übt eine starke Sogwirkung aus, die Ursprünge liegen jenseits der Vernunft in Archetypen, in Mythen – an den Anfängen allen Erzählens. „Es verwundert überhaupt nicht, dass Jiří Kratochvils schwungvolle, erfi ndungsreiche Arbeit weltweit gern undhäufiggelesen wird.“ SUDABEH MOHAFEZ
Jiří Kratochvil Reihenfolge der Bücher
Jiří Kratochvil (* 1940 in Brünn) ist ein tschechischer Schriftsteller.






- 2018
- 2015
An dem Tag, an dem Hitler sich in Berlin umbringt, brechen drei Männer zu einer langen Wanderung durch Brünn auf. Dieser Streifzug durch die von der Roten Armee soeben befreite Stadt entwickelt sich zu einer Odyssee voller wundersamer, burlesker Augenblicke. Während an der Brünner Peripherie noch verzweifelt gekämpft wird, zieht ein Ensemble verkrüppelter Laienschauspieler mit Shakespeare im Repertoire durch die Innenstadt, eine blinde Seiltänzerin balanciert über den zerstörten Häusern auf einem Seil und ganz Brünn steht auf Pfeilern, die in einen riesigen unterirdischen See, eine Art schwarzen Spiegel der Stadt, eingelassen sind. In diesem karnevalesken Treiben versuchen Kostja, Kuba und der von einer sprechenden schwarzen Katze begleitete Jindrich ein Verständnis für den herrschenden Ausnahmezustand zu entwickeln. Während Kostja und Kuba nach einem in Brünn abgeworfenen amerikanischen Fallschirmspringer suchen, der im Besitz einer Sendung mit dem Wundermittel Penicillin sein soll, hat Jindrich eine viel geheimere Mission: Er ist dazu auserwählt, das mythische Aufeinandertreffen von Gut und Böse zu entscheiden. Mehrmals im Laufe des Tages kreuzen sich die Wege der Suchenden, um am Ende auf unerwartete Weise zusammenzutreffen. Jirí Kratochvil findet eine unverwechselbare Sprache für eine Zeit, in der nichts gewiss scheint.
- 2011
Katka hat sich der Literatur verschrieben: Sich selbst mit Haut und Haaren und im wahrsten Sinne des Wortes. Die umjubelte junge Schriftstellerin steht im Zentrum eines Reigens aus Exzessen, Grausamkeit, Schmerz und Macht. Ein Leben als Mittel zum Zweck, als Stoff für Literatur, die in Kratochvils grandiosem jüngsten Roman alles andere beherrscht. Typisch für Tschechiens brillantesten Erzähler und wie schon in seinem von der Kritik hochgelobten Roman Das Versprechen des Architekten entführt der Autor Leserinnen und Leser auch in Femme fatale in einen Balanceakt zwischen Wirklichkeit und Unwirklichkeit, Bewusstem und Unbewusstem. Kratochvils Brünn ist eine fantastische, surreale Welt, in der einem urplötzlich und mit hinterlistigem Charme der Boden unter den Füßen weggezogen werden kann; zu seinem Handwerkszeug zählen neben seiner meisterlichen Fabulierkunst unzählige Anspielungen und Querverbindungen zu anderen Autoren. Femme fatale ist ein ungewöhnlicher, unterhaltsamer Roman über die schöpferische Freiheit und ihre Grenzen. Was im ersten Teil als Beziehungsgeschichte im Brünn der 1990er-Jahre beginnt und als spektakulärer Erotik-Thriller endet, entpuppt sich im zweiten als raffinierte und symbolhaft verrätselte Allegorie über die Besessenheit vom Schreiben, auch um den Preis, von den eigenen Geschichten verschlungen zu werden, dem eigenen Selbst abhanden zu kommen.
- 2009
Jiri Kratochvils Erzählungen verbinden sich in ihrer äußeren Kulisse, der Stadt Brünn, im Mittelpunkt aber stehen Menschen und ihre tragikomischen Schicksale. Die Grenzen zwischen Realität und Fiktion verschwimmen, wenn skurrile Alltagserzählungen in völlig unerwarteten Wendungen und grotesken Pointen münden: Personen und Orte wechseln ihre Identität, amouröse Abenteuer enden fatal, Frauen verführen junge Männer, die in ihre Eingeweide schlüpfen, tote Verwandte feiern bei Familienfesten mit, Traumgestalten greifen ins wahre Leben ein, Katzen nehmen die Wesenszüge ihres verstorbenen Herrn an, Stalin diktiert in Mausgestalt seine Memoiren, Selbstmörder kehren ins Leben zurück, Strizzis prügeln sich in der Vorstadt um Frauen, der Schriftsteller nimmt Einfluss auf seine eigene Vergangenheit und wird zu einer Mehrfachgestalt. In seinen Geschichten ist Jiri Kratochvil als Ich-Erzähler meist mit von der Partie. Er bricht festgefahrene Sichtweisen auf und entführt seine Leserschaft in eine Welt, in der die Peripetien der menschlichen Existenz mit ebenso viel Selbstironie und Aberwitz geschildert werden wie die Auswüchse der Konsumgesellschaft und totalitärer Ideologien
- 2005
Ales haßt seine Familie. Er haßt die Jordans, diese Anhäufung geborener Opportunisten, haßt ihre Schamlosigkeit, aus jedem System einen Nutzen zu ziehen. Ob im Kommunismus oder in der freien Marktwirtschaft, die Jordans sind auf Tuchfühlung zu den gesellschaftlichen Schaltstellen, der Familienclan und seine mafiösen Strukturen florieren. Schwarze Schafe gibt es überall - und sie werden nach alter Sitte selbst gerichtet. Onkel Ludwig, seinerseits pädophiler Familienschreck, baumelt zu Ales' Entsetzen alsbald am Kronleucher, und Tante Hrbácková, so ungehorsam wie sie war, findet keinen Platz in der Familiengruft. Wäre da nicht Lucie, gleichermaßen geliebte Gattin und Cousine, dann befände sich Ales wohl schon längst unter dem familiären Damoklesschwert. Doch als er das Angebot ausschlägt, in die Rolle des Familienoberhaupts zu schlüpfen, nimmt das Verhängnis seinen Lauf. Was klingt wie ein klassischer Mafiaroman mit surrealen Momenten, entpuppt sich bald als hintersinnige Parabel über den Totalitarismus im 20. Jahrhundert. Mit spielerischer Leichtigkeit und böhmischem Witz erzählt Jirí Kratochvil eine schier unglaubliche Geschichte.
