Von Zeit zu Zeit
Tagebücher 1984-2005
Rafael Chirbes war ein spanischer Romanautor, dessen Werke sich mit den dunklen Ecken der spanischen Gesellschaft auseinandersetzten, insbesondere während des Übergangs von der Diktatur zur Demokratie und durch Perioden wirtschaftlicher Krisen. Sein Stil zeichnet sich durch rohen Realismus und präzise Charakterdarstellungen aus, die Individuen zeigen, die sich mit moralischen Dilemmata und gesellschaftlichem Verfall auseinandersetzen. Chirbes legte meisterhaft Heuchelei und Korruption in einflussreichen Kreisen offen und konzentrierte sich dabei oft auf Themen wie Immobilienspekulation und den Verlust von Idealen. Sein literarisches Erbe erforscht, wie Einzelpersonen turbulente Zeiten überstehen und welche Spuren große gesellschaftliche Umwälzungen im menschlichen Leben hinterlassen.






Tagebücher 1984-2005
Der lange Marsch | Der Fall von Madrid | Alte Freunde
Mit seiner Spanien-Trilogie spannte Rafael Chirbes (1940-2015) einen großen Bogen von der Herrschaft der Faschisten und der Politisierung der Jugend in den 1960er Jahren (»Der lange Marsch«) über den spannungsgeladenen Tag im November 1975, als Franco starb (»Der Fall von Madrid«), bis zum Aufbruch in die Demokratie und zur ernüchternden Bilanz der früheren Revolutionäre in den 1990ern (»Alte Freunde«). In feinen Momentaufnahmen aus dem Leben ganz gewöhnlicher Leute – ob Schuhputzer, Großindustrielle, Bauern oder Hausangestellte, Kollaborateure oder linke Studenten im Widerstand – verwebt Chirbes deren Hoffnungen und Enttäuschungen zu einer Geschichte des Landes von unten, einer Geschichte, die von den Menschen her erzählt wird. Ein großes literarisches Panorama der spanischen Gesellschaft im 20. Jahrhundert von ungebrochener Relevanz: Wer verstehen möchte, welche Schäden der Faschismus in Gesellschaften anrichtet, sollte Chirbes‘ Bücher lesen.
Roman
Ein junger spanischer Maler flieht vor den Ansprüchen seiner gutbürgerlichen Familie nach Paris und steht dort vor dem Nichts. Er hat keinen Job, kein Geld und weiß nicht wohin, als er Michel kennenlernt, einen Arbeiter Mitte fünfzig, dessen Vitalität ihn fasziniert und anzieht. Sie verlieben sich, Michel nimmt ihn auf, in seine Wohnung, sein Bett, sein Leben. Am Anfang sind sie nur glücklich und genießen die nächtlichen Streifzüge durch die Kneipen und durch das lichte Paris. Aber irgendwann erinnert sich der junge Mann daran, dass er noch andere Ambitionen hat. Auch der Alters-, Bildungs- und Klassenunterschied macht sich bemerkbar, und die Liebe kann diese Unterschiede nicht besiegen, nicht, wenn sie so besitzergreifend ist wie die Michels.
Die Immobilienblase in Spanien ist geplatzt, die Profiteure haben ihr Geld rechtzeitig in Sicherheit gebracht. Zurückgeblieben sind nur noch Verlierer. Ihnen gilt Rafael Chirbes’ Interesse und seine Empathie. Esteban hatte sich als junger Mann ein anderes Leben erträumt, ist dann aber doch in der Familienschreinerei hängengeblieben. Aber anders als sein sozialistisch strenger Vater, der nach der Maxime lebt: Wir beuten niemanden aus, wir leben von dem, was wir erarbeiten, wollte Esteban wie alle anderen auch sein Stückchen vom großen Immobilienkuchen. Und als sein Vater alt und nicht mehr handlungsfähig ist, investiert er das im Familienbetrieb erarbeitete Geld in eine Baufirma. Zu spät. Die Firma geht pleite und mit ihr die Schreinerei. Insolvenz, Beschlagnahmung der Maschinen, die Mitarbeiter stehen auf der Straße, auch die kolumbianische Pflegerin des alten Vaters kann nicht mehr bezahlt werden. Doch Esteban ist auch mit siebzig noch ein vitaler Mann. Und er ist Realist. Eine Perspektive für die Zukunft sieht er nicht und zieht die Konsequenzen. Rafael Chirbes erzählt einen Wirtschaftskrimi und eine Familiengeschichte. Und er schreibt die Mentalitätsgeschichte Spaniens fort. Sarkastisch, mit viel Humor und Witz zeigt er uns die gesellschaftlichen Verwerfungen, den Tanz um das goldene Kalb, der immer weiter geht.
» Krematorium ist einer der besten spanischen Romane der letzten zehn Jahre. Eine brillante Analyse des wilden Kapitalismus unserer Zeit.« La Vanguardia »Rafael Chirbes vertraut der sozialen Funktion von ?Literatur, ihrer Fähigkeit zur Verständigung. Solange er schreibt, ist die Welt nicht verloren.« Erich Hackl Matias ist gestorben, der charismatische jüngere Bruder des erfolgreichen Bauunternehmers Rubén Bertomeu, in seiner Jugend ein Anhänger revolutionärer Gewalt, später wie seinem Bruder zum Trotz ein Ökobauer. Mit dem Tod von Matias setzt ein vielstimmiger Chor ein: Da ist Rubén, der Sozialist und Bauunternehmer, der auf sein Leben zurückblickt, in dem jedes Ideal für Geld und Erfolg geopfert wurde. Da ist seine zweite Frau Monica, blutjung und karrieregeil, mit unbedingtem Aufstiegswillen. Und seine Tochter Sylvia, eine Kunsthistorikerin, gefangen in einer freudlosen Ehe mit dem arroganten Professor Juan Mullot. Sie alle profitieren von Rubéns Reichtum, gleichzeitig verachten sie ihn. Rubéns Kindheitsfreund, Federico Brouard, ist als Schriftsteller gescheitert und verbringt seine letzten Tage im Suff, Ramon Collado ist Rubéns Mann fürs Grobe. Aus diesen unterschiedlichen Perspektiven entsteht ein grandioses Gesellschaftspanorama: die Familie als Ort des Besitzdenkens, die Zerstörun g der Umwelt, Bauspekulation, schmutzige Geschäfte, Korruption, Drogen. Sexualität als Ware und gleichzeitig letzter Halt gegen die Auflösung jeglicher Verbindungen. Rafael Chirbes erzählt in »Krematorium« eine aus den Fugen geratene, von den Göttern verlassene Welt, in der keine Gewissheit mehr gilt, in der Werte, Wörter und Utopien leere Hülsen sind. Und doch ist dieser Roman ein Rettungsversuch: Aus der Erzählung der Widersprüche einer Ge?sell?schaft, die sich ganz dem Konsum und dem Mammon verschrieben hat, wird schmerzhaft deutlich, was wir verloren haben.
Städtebilder
Chirbes nimmt seine Leser mit auf literarische Spaziergänge durch 42 Städte in der ganzen Welt: durch die tausendfach belebten Straßen von Peking, über die Märkte von Kanton, zur Pracht des Hamburger Hafens oder dem betörenden Glanz der Hochhäuser in Hongkong. Man erlebt das Fließen der Zeit auf der Plaza Major von Salamanca, taucht in die schwermütige Musik der Mariachis in Guadalajara ein und lässt sich von der Unordnung des Lebens in Mailand anstecken.
Wie gefährlich es ist, nostalgisch in die eigene Vergangenheit zu tauchen - diese Erfahrung machen die „alten Freunde“, die sich treffen, um über alte Zeiten zu plaudern, als man gegen Franco und für die Revolution stritt. Die Jahre nämlich, die vergangen sind, seit Rita, Amalia, Elisa, Carlos, Guzmán, Pedrito und ihre Genossen politische Verschwörungen anzettelten und von einer lichten Zukunft träumten, sie haben ihre tiefen Spuren hinterlassen. Die Freunde von einst sind einander fremd geworden. Aus Revolutionären wurden abgebrühte Bauunternehmer, Medienfunktionäre, Eurokraten, die sich in der modernen Gegenwart bestens zurechtgefunden haben. Einige hat es schlimmer erwischt. Und einige sind gar nicht erst gekommen. Rafael Chirbes ist nach „Der lange Marsch“ und „Der Fall von Madrid“ mit diesem letzten Teil seiner Trilogie aus dem Nachkriegsspanien in der Gegenwart angekommen.
„Wer den Mittelmeerraum bereisen will und keinen Reiseführer, sondern eher einen anregenden Reisebegleiter sucht, liegt mit “Am Mittelmeer„ genau richtig“, urteilte die FRANKFURTER RUNDSCHAU. Rafael Chirbes erkundet Städte und Orte mit märchenhaftem Klang - Kairo, Alexandria, Genua, Kreta, Rom - und zeigt sie uns als buntes Mosaik einer gemeinsamen Kultur.
Der Fall von Madrid: Das ist ein besonderer Tag. Der Tag, an dem Franco stirbt. An dem José Ricart 75 Jahre alt wird. An dem seine Schwiegertochter Olga für ihn ein Fest vorbereitet. An dem die Geheimpolizei einen alten kommunistischen Arbeiter erschisst. Der Tag, an dem in einem überfüllten Bus, der an Francos Domizil vorbeifährt, die Leute plötzlich au svollem Hals anfangen zu singen: adieu von Herzen! Ein grandioses Familienepos über drei Generationen, in dem sich der Aufbruch Spaniens in eine neue Zeit spiegelt.
Warum Ana jetzt im Alter das Bedürfnis hat, von sich zu erzählen, weiß sie nicht. Die Macht der Erinnerung? Im Sog ihrer Stimme entfaltet sich der Kosmos eines Lebens: Jugend und Liebe, Krieg und Hunger, Altern und Warten - manchmal wehmütig, aber nie sentimental. „. einer der ganz großen europäischen Erzähler.“ Peter Hamm "Rafael Chirbes' unscheinbares Meisterwerk" SÜDDEUTSCHE ZEITUNG