Der Kolonisator und der Kolonisierte. Zwei Porträts
Neuedition mit einem Nachwort von Adam Shatz über Albert Memmi und einem Vorwort von Jean-Paul Sartre
Albert Memmi wurde am Scheideweg dreier Kulturen geboren, und sein Werk konzentriert sich auf die Schwierigkeit, ein Gleichgewicht zwischen Ost und West zu finden. Sein bekanntester Essay untersucht die wechselseitige Beziehung zwischen dem Kolonisator und dem Kolonisierten und analysiert Machtdynamiken sowie die psychologischen Auswirkungen des Kolonialismus. Memmi befasst sich mit der Komplexität von Identität und Entfremdung in einer postkolonialen Welt. Seine späteren Schriften bauen auf diesen Themen auf und untersuchen die Herausforderungen der Dekolonisierung und die Verantwortung für den Nationenaufbau.






Neuedition mit einem Nachwort von Adam Shatz über Albert Memmi und einem Vorwort von Jean-Paul Sartre
Memmi schildert in liebevollen Alltagsszenen, die zuvor in LE MONDE und FIGARO veröffentlicht wurden, unter dem Motto: "Ich habe mich entschieden, glücklich zu sein, weil das besser für die Gesundheit ist" (Voltaire).
Frisch verheiratet kehrt der Erzähler, Tunesier und Jude, der soeben in Paris sein Medizinstudium abgeschlossen hat, zusammen mit Marie, die aus dem Elsaß stammt und katholisch ist, in seine Heimat nach Tunis zurück, wo er als Arzt arbeiten will. Er freut sich auf das Wiedersehen mit seiner Familie, seinen Freunden, freut sich auf die Stadt, die er so liebt. Die an europäische Lebensweise gewöhnte Marie aber erlebt einen Kulturschock. Die Familie ihres Mannes bleibt ihr ebenso fremd wie die orthodox-jüdischen Rituale und archaischen Traditionen, nach denen diese lebt. Die fortschrittliche Frau will sich nicht vereinnahmen lassen, nicht Teil der abgeschlossenen orientalischen Frauenwelt werden. Mühsam versucht der zurückgekehrte Sohn, einerseits den Erwartungen seiner Familie zu entsprechen und andererseits den Ansprüchen seiner modernen Frau zu genügen. Aber Marie wird ihm immer mehr zur Fremden. Als dem Paar der erste Sohn geboren wird und dieser nach Familientradition beschnitten werden soll, kommt es zum Eklat.
Laut Memmi besteht Rassismus in der „verallgemeinerten und verabsolutierten Wertung tatsächlicher oder fiktiver Unterschiede zum Nutzen des Anklägers und zum Schaden seines Opfers, mit der seine Privilegien oder seine Aggressionen gerechtfertigt werden sollen“. Diese Rassismus-Definition von Albert Memmi gilt seit ihrer Aufnahme in die Encyclopaedia Universalis als gültig in Forschung und Lehre. Darüber hinaus wurde sie von ihm selbst in zahlreichen Publikationen erweitert und präzisiert. In dem vorliegenden Buch, das als Taschenbuch in Frankreich in mehreren Auflagen große Beachtung fand, beschäftigt sich Memmi ausschließlich mit dem Phänomen Rassismus: dem biologisch, oder besser, biologistisch argumentierenden, dem Antisemitismus, dem auf Rassismus gründenden Kolonialismus und einem auch hierzulande zunehmend anzutreffenden diffusen Fremdenhass. Anhand neuer Argumente und mit vielen Beispielen und Einzelstudien aus Geschichte und Gegenwart, analysiert er das ganze Spektrum des rassistischen Denkens.
Albert Memmis erster Roman, 'Die Salzsäule', ist seine eigene Geschichte. Alexander Mordechai Benillusch, der Held dieses Buches, geht den Weg aus der Vorstadtenge von Tunis hinaus in die Welt. Sohn einer Berberin und eines Juden, aufgewachsen in der Bildungswelt des französischen Gymnasiums, steht er zwischen den Welten im wahrsten Sinne des Wortes: zwischen Juden und Mohammedanern, zwischen Tunesiern und Franzosen, zwischen armen Handwerkern und reichem Bürgertum, zwischen Kolonisten und Kolonisierten. Man atmet die Luft des Ghettos, die Enge des elterlichen Hauses, die stickige Atmosphäre des französischen Gymnasiums, die dumpfe Schwüle jüdischer Festzeremonien, man erlebt die Ausbruchsversuche des Helden, seine Illusionen und bitteren Enttäuschungen. Fesselnd wie jede wahre Lebensgeschichte, ist dieser Roman zugleich eindrucksvolle Dokumentation seiner Zeit: das autobiographische Bekenntnis eines Menschen, der, herausgefordert von den Widersprüchen der Zeit, sich selbst sucht. Dabei ist das Buch mehr als ein packender Roman: Eng verknüpft mit dem Thema der Bilanz und Rechenschaft ist das Thema des Bruchs: Bruch mit der Tradition, mit der sozialen Ordnung, den überkommenen, starren Vorurteilen. Zwischen den Kulturenm den Religionen, den Gesellschaftsschichten bleibt Benillusch ein Heimatloser.