Über die Sinnhaftigkeit und Struktur der kultischen Handlungen im Christentum ist viel diskutiert worden, oft mit theoretisch-theologischem Ansatz. Christian Lehnert, als Theologe und Dichter, wählt einen eigenen Zugang: den des Dichters. In seiner typischen Mischung aus Reflexion, Schau und Erzählung nutzt er verschiedene sprachliche Register, von klarer bis expressiver Prosa, um sich den festen Formen des kultischen Vollzugs zu nähern, deren Bedeutung vielen verloren gegangen ist: Kyrie, Gloria, Glaubensbekenntnis, Abendmahl. Seine Beobachtungen und Meditationen führen zu einer energetischen Erfahrung der „Leere“, die auf mystische Gotteserlebnisse zurückblickt und gängige Verständnisroutinen durchbricht. Lehnert hinterfragt kritisch den Konservativismus und dessen erstarrte Religionspraxis sowie die charismatischen, liberalen oder esoterischen Bewegungen, die glauben, das Christentum neu interpretieren zu können. Er zeigt, dass die Gestalt des Christentums notwendig ungeworden ist, seine Unabgeschlossenheit und Strömungsform auf etwas, das immer aussteht. Dies wird erst offenbaren, was das Christentum seit jeher war – seine Schönheit und Liebe.
Christian Lehnert Bücher






'Dieses Buch lehrt neu sehen. Es ist keine Investition ins Tun, sondern Ins Sein.'§Inga Kramp, eulenspiegel.de 25.09.2014§
Das Buch versammelt Gesprache mit dem im Fruhjahr verstorbenen Dresdner Tanzer und Choreographen Manfred Schnelle uber liturgisches Handeln, uber die Gebarden und Gesten im Gottesdienst und uber eine Spiritualitat der Bewegung. Schnelle (1935-2016) kam aus der Schule des Ausdruckstanzes in Deutschland, dessen bedeutendste Vertreterinnen Mary Wigman und Gret Palucca waren. Seine Erfahrungen mit dem Tanz in Kirchen und seine tiefe Frommigkeit, gepragt von der Michaelsbruderschaft und der christlichen Zen-Meditation Enomiya-Lassalles, haben ihn zu einem genauen und sensiblen Beobachter liturgischer Vollzuge gemacht. Die Gesprache beleuchten, wie eine starke und glaubhafte liturgische Prasenz entstehen, wie man sie uben und erlernen kann. Neben elementarem Grundwissen fur den Pfarrberuf geht es vor allem um Weisen der Aufmerksamkeit und einen eigenen spirituellen Weg. Die vielen Fotografien im Buch zeigen, wie Manfred Schnelle selbst liturgische Gesten verwirklichte. Diese Bilder konnen der Ausgangspunkt fur eigene Ubungen sein. So will der Band allen denen dienen, die haupt- oder nebenamtlich Gottesdienste verantworten und dabei den liturgisch-leiblichen Aspekt der Verkundigung beachten.
Heiligenlegenden
Geschichten aus der Legenda aurea. des Jacobus de Voragine
Die Legenda aurea, die Goldene Legende, ist die wichtigste europäische Sammlung von Heiligenlegenden und war über Jahrhunderte ein Bestseller des Mittelalters. Ihr Herausgeber, der lombardische Ordensprovinzial Jacobus de Voragine, hat die Quellen aus Antike und Mittelalter gesammelt, dabei ihren Ton bewahrt und sich ihnen doch auch fragend genähert. Der Frage »Was und wer aber ist ein Heiliger?« geht auch Christian Lehnert, Dichter und Theologe, in seiner Auswahl, Übersetzung und Kommentierung der Legenden nach. Als Antwort findet er einen Umbruch ohnegleichen im Leben des Einzelnen: in plötzlicher Verwandlung, in der radikalen Umwertung aller Werte. Dieser Wandel bedeutet zugleich: Liebe bis hin zur Selbstaufgabe, Demut bis zur Erbärmlichkeit, Freigebigkeit bis zur Zerstörung materieller Lebensgrundlagen. Schmerz, Erniedrigungen und Folter ändern daran nichts. – Solche Schicksale sind eine Herausforderung an das moderne Bewusstsein und zeigen doch eine extreme Bereicherung in den Grenzen dessen, was menschenmöglich ist. In einer Auswahl von zwölf Bildern hat Michael Triegel den Legenden seine Anschauung heiliger Menschen und Riten beigegeben.
Im Flechtwerk, Lehnerts achter Gedichtband, ist ein streng gefügtes Werk. Siebenmal sieben Gedichtpaare bilden ein Flechtwerk, eine verwobene Kunst der Fuge. Musikalische Strukturen prägen den Zyklus: von Reimklängen bis zur Motivverarbeitung in verschränkten Zusammenhängen nach dem Vorbild barocker Kantaten. Doch geht es nicht um formalistische Exerzitien. In ihrer so expressiven wie reflexiven Musikalität erkunden Lehnerts Gedichte die Natur, indem sie ihr antworten. Und mehr noch: Gegen den als Anthropozän maskierten Totalzugriff des Menschen auf seine Umwelt suchen die Gedichte ein Widerlager. Im Übergang zwischen Denken und Wahrnehmung spüren sie dem Geistigen nach: In dem, was »Materie« scheint, erfahren sie Offenbarung in Pflanzen, Tieren und Dingen, in Tageszeiten und im Spiel der Wellen.
Windzüge
Gedichte
In der kompakten Form acht- und zwölfzeiliger Gedichte hatte Christian Lehnert seine »Pneumatologie« einer spirituellen Naturerfahrung zuletzt verdichtet (Aufkommender Atem, 2011), und mit derselben Form setzt er in seinem neuen, sechsten Gedichtband wieder an. Konsequent aber wächst die Form diesmal gegen die minimalistische Verdichtung auf, über Sonette hin zu dynamischen Zeilen und Strophen voll hexametrischer Rhythmen. Die Weitung der Form bedeutet zugleich eine Annäherung an größere Formationen der Wirklichkeit. Das Gedicht bewegt sich über die Erfahrung von Landschaft und Kulturnatur zielstrebig hinaus, arbeitet sich auf Schotter und Gleisen voran, passiert Transportmittel, Maschinenparks, Depots und Halden, durchquert Brachen und steuert durch Kanäle und Schleusen in Richtung eines vorerst imaginär bleibenden Stadtkerns. Wie die Mitte selbst aber erreichen? In einer Coda reißt Lehnert diese Frage mit drei Langgedichten zu Worten Martin Luthers als Sprachproblem auf: Dichtung als ein unablässiges Ringen um den Zugang zur Mitte – ein unabschließbarer Versuch, doch ermutigt durch den festgegründeten Satz: »Solange ich Atem hole, ist Zeit.« »Christian Lehnert ist einfach ein großer Lyriker mit einem seltenen Sinn für das Schöne.« (Hans Werner Henze)
Der Augen Aufgang
Gedichte
Christian Lehnerts formstrenge Gedichte sind fragile Gebilde, die genau jene Stille erzeugen, in der sie wirken können. Nicht zufällig laufen viele der Texte, deren Themen und Sprechweisen einen weiten Bogen spannen von der Antike bis in die Gegenwart, vom Christlich-Abendländischen bis hin zu jüdisch-arabischen Kulturen, immer wieder auf Fragen aus.
