Als die Filme singen lernten
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Unvermittelt wie kein anderes Filmgenre hat der frühe Musikfilm die Modernisierung des Alltagslebens und die großstädtische Moderne abgebildet. Klamauk und Klamotte fanden mühelos mit Parodie und Selbstreflexivität zusammen. Dennoch bildet der Zeitraum unmittelbar nach Einführung des Tonfilms in der Filmgeschichte immer noch weitgehend unerforschtes Terrain. Allzu lange folgte die Forschung der Meinung der etablierten Stummfilmkünstler, die im Tonfilm nur Ende und Verfall einer gerade zur Kunstform aufgestiegenen Gattung sahen. Ein unbefangener Blick auf diese Epoche - möglich geworden durch neuere Forschung und ein unverkrampftes Verhältnis im Umgang mit Populärkultur - erweist, dass der Übergang zum Tonfilm keinesfalls nur durch Unsicherheit und Resignation gekennzeichnet war, sondern vor allem Chancen und Möglichkeiten bot. Dies wird am Beispiel des Musikfilms aufgezeigt, der die Veränderungen der urbanen Moderne paradigmatisch gespiegelt hat, der aber auch umfassend den kulturindustriellen Verwertungszusammenhängen von Rundfunk, Schallplatte und Konzertereignis unterlag. Der Zeitrahmen 1928 bis 1938 mag aus deutscher Sicht überraschen: Er stellt den Versuch dar, die traditionellen Stil- und Epochenzuschreibungen in einer europäischen Perspektive neu zu diskutieren. Entwicklungen in Italien, Österreich und Frankreich, in den osteuropäischen Ländern und der Sowjetunion werden ebenso berücksichtigt wie Kontinuitäten und Brüche im Exil. Gerade in Österreich und Italien konnten eingespielte Produktionsmethoden fortgeführt, Themen und Motive weiterentwickelt werden. Es sind solche Konstellationen, die dem Genre seine charakteristische Vielschichtigkeit verleihen. In den Beiträgen werden die Konturen einer Filmgattung deutlich, die in ihrer Komplexität und ihrem Reichtum bislang verkannt wurde.