Indien
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Meine Frau war als Kind vier Jahre lang mit ihren Eltern in Indien und zwar vom vierten bis zum achten Lebensjahr. Ihr Vater war Ingenieur, die Deutschen bauten damals in Rourkela im indischen Bundesstaat Orissa ein Stahlwalzkraftwerk – so heißt das, glaube ich. Es gibt ja auch ein Buch, das ich von meinen Schwiegereltern bekommen habe, und das heißt: die Rourkela-Deutschen. Als dann meine Frau ihr Studium abgeschlosssen hatte, fuhren wir 1993 das erste Mal nach Indien. Als wir in Varanasi ankamen, war ich so entsetzt, und erschrocken vom Leben und Treiben auf der Straße und von der Armut, dass ich eigentlich sofort wieder zurück wollte, aber da eine Rückreise nicht so einfach ist, als wenn man in den nächsten Romulus steigt und nach Wien zurückfährt, blieb mir nichts anderes übrig, als zu bleiben. Am nächsten Tag schon ging ich mit meiner Füllfeder und meinem Notizbuch das Gangesufer entlang, kam zum Einäscherungsplatz und schrieb dort auf. Es hat mich nicht so sehr interessiert, dort im Laufe der Monate bei hunderten Einäscherungen zuzuschauen, sondern mich hat dort die Kinder, Kühe und Kälber sind da und fressen die Hanfstricke auf, mit denen die Toten auf Bambustragbahren gebunden sind, Hunde warten auf ihre Happen, die Angehörigen trauern und weinen dort nicht, sie unterhalten sich rauchen Bidis usw. Das war also die erste Reise. Ein Jahr später traten wir die zweite Reise an. Ich hatte die von der ersten Reise ausgearbeiteten Notizbücher mitgebracht, daran gearbeitet, sah und spürte, dass ich letzten Endes zu einem Text von 70 oder 80 Seiten kommen werde, was mir aber für ein Buch nicht reichte. So also flog ich mit meiner Frau wieder nach Indien. Diesmal wusste ich genau wohin: Varanasi, Harischandra Ghat, zum Ein-, Äscherungsplatz ans Ufer des Ganfges, weiter zu schauen, weiter schreiben. „Daß Varanasi immer noch nicht ins Weltkulturerbe aufgenommen wurde, ist eine Tragödie, denn die Stadt verwahrlost und zerfällt immer mehr und mehr.“ ( Josef Winkler )