Zur indischen Poetik und Ästhetik
Autoren
Mehr zum Buch
Schon die ältesten auf uns gekommenen Dichtungen der Inder und Griechen, der Rgveda und die Werke Homers enthalten kunstvolle Figuren dichterischer Rede. Zu systematischen Reflexionen über die Dichtersprache kommt es jedoch erst später: In Griechenland in der Rhetorik, deren erste Abhandlungen von Sophisten wie Gorgias von Leontinoi (480-380 v. Chr.) als den Lehrmeistern der öffentlichen Rede stammen. Die Rhetorik entwickelte sich in der Antike zur Normwissenschaft auch der dichterischen Rede. In Indien gab es keine Polis und damit auch keine öffentliche Rede in Politik und vor Gericht. Hier wird über die Dichtersprache zuerst in den Grundwerk der Dramaturgie und Schauspielkunst, im Natyasastra des Bharata (vor 300 n. Chr.) gehandelt. Erst spät, beginnend mit dem Kavyalamkara des Bhamaha (7. Jh.), enfaltete sich in Indien das Alamkarasastra als Normwissenschaft der Dichtung. Da es sich ausschließlich mit der Dichtung befaßt, wird der Terminus „Alamkarasastra“ zu Recht mit „Poetik“ übersetzt. Im Zentrum des Alamkarasastra steht, wie es der Name schon verrät, die Beschäftigung mit dem Schmuck dichterischer Rede, den alamkaras, die Jacobi mit dem Ausdruck „poetische Figuren“ übersetzt hat und die mit den Stilfiguren, Tropen oder rhetorischen Figuren der antiken Rhetorik vergleichbar sind. Die Figurenlehre wirde in Indien im Laufe der Zeit auf das Höchste verehrt. Einen sehr guten Einblick in die komplexe Poetik und Ästhetik der Inder bieten die hier wieder zugänglich gemachten Abhandlungen und Übersetzungen von Herman Jacobi. Seine Übersetzungen des Dhvanyaloka des Anandavardhana und des Alamkarasarvasva des Ruyyaka erschließen zwei Schlüsselwerke indischer Poetik und prägten die Wiedergabe ihrer Termini technici in der deutschen Sprache.