Gewachsen im Schatten
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Weithin sichtbar dominiert das barocke Stift mit den markanten Zwiebeltürmen und der Reiterstatue Meinhards II. auf dem Dachgiebel das kleine Oberländer Dorf, in welches das Kind Annemarie 1948 hineingeboren wird. Es sind ärmliche Verhältnisse, die dort herrschen, geprägt von den Traumata der Nazizeit, welche die Autorin in Anlehnung an einen Text von Hubert Gundolf eindrücklich schildert, geprägt vom ländlichen Alltag, von einem starken Katholizismus und einem sehr traditionellen Frauenbild. Hin- und hergerissen zwischen Faszination und Schrecken für dieses teils beschützte, teils einengende und ausgrenzende Kleinklima wächst sie heran und ringt mit den Schicksalsschlägen, die das Leben ihr bereitet: dem frühe Tod der Mutter, der Aufteilung der Kinder auf Pflegefamilien, den Geldsorgen, die ihren eigenen Träumen und Wünschen im Wege stehen, vor allem aber mit der schweren psychischen Erkrankung des Vaters und seinen Aufenthalten im Haller Krankenhaus, die praktisch den Rahmen bilden für dieses literarische Sittenbild aus einem Tirol des vorigen Jahrhunderts. Bekannt und gewürdigt für ihre kritische Mundartdichtung findet Annemarie Regensburger auch in diesen berührenden autobiografischen Erinnerungen eine unmittelbare, vom Dialekt geprägte und doch sehr klangvolle Sprache, um auf ein entbehrungsreiches Leben zurückzublicken und gegen Sprachlosigkeit, gesellschaftliche Missstände und überkommene Moralvorstellungen das Wort zu erheben.