Die Pest zu London
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Es liegt wohl an der Grausigkeit des Stoffes, dass das Die Pest zu London (Journal of the Grand Plague of London. – London 1723), von Defoe lange nicht übersetzt wurde und erst 1925 in der deutschen Fassung erschien. Wer es mit seinen, bis in die kleinsten und unbedeutendsten Einzelheiten gehenden Schilderungen durchgelesen hat, dürfte einigermaßen erstaunt sein, zu hören, dass es von einem 61jährigen Manne geschrieben wurde, der zurzeit der großen Pest erst vier Jahre alt war, und daher aus eigener Anschauung nichts und vom Hörensagen kaum allzu viel über jenes Ereignis wissen konnte. Auch mit gründlichen Quellenstudien hat Defoe sich sicherlich nicht abgegeben. Das geht einmal aus der ungemeinen Flüchtigkeit bei der Abfassung des Werkes hervor. Dass trotzdem in dem „Pestbuche“ ein Werk entstehen konnte, das trotz Robinson von vielen für die beste Arbeit Defoes gehalten wird und selbst wohlunterrichtete Männer der Wissenschaft dazu verführte, in ihm eine historische Quelle für die damaligen Zustände zu sehen, erklärt sich aus der besonderen Natur von Defoes Schaffensweise. Er besaß, neben einer erstaunlichen Fruchtbarkeit, im allerhöchsten Maße die Gabe, die man „Wirklichkeitsphantasie“ nennen könnte, d. h. die Fähigkeit, sich in eine erdichtete und bloß vorgestellte Umwelt ganz und gar hineinzuversetzen und so völlig in ihr aufzugehen, als ob er tatsächlich darin zu leben und sich ihr anzupassen hätte.