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Der Fluch und der Eid

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Wie stark waren gesellschaftliche und politische Ordnungen im vorrevolutionären Europa metaphysisch verankert? Die Frage nach Stellenwert und Funktion von Fluch und Eid in der ständischen Gesellschaft erschließt zwei gegensätzliche und dennoch miteinander verschränkte Umgangsweisen der Menschen mit dem Sakralen. Fluch und Eid sind fest eingefügt in die Lebenspraxis und belegen so die Alltäglichkeit des Sakralen. André Holenstein begründet die breite Verankerung des Eides in der Vormoderne mit dessen Eigenschaft, Defizite bei der Durchsetzung von Normen und Pflichten und bei rechtlichen Verfahren der Wahrheitsfindung durch Einführung einer göttlichen Sanktions- und Kontrollgewalt wettmachen zu können. Der Eid dient einerseits der Sicherung der Legitimität von Herrschaft und andererseits der Gewährleistung des Rechts. Heinrich Richard Schmidt zeigt am Berner Material, wie der Fluch das regulierende Eingreifen Gottes oder einer anderen Macht erzwingen soll, folglich von der christlichen Obrigkeit geächtet wird, freilich mit geringem Erfolg: Fluchen wird nach Auskunft verfügbarer serieller Quellen nicht seltener, sondern eher häufiger, schließlich auch alltäglicher. Eva Labouvie wendet sich dem im volkstümlichen Repertoire magischer Vorstellungen verwurzelten Fluchen zu, das offenbar mehrheitlich von Frauen als Wortmagie praktiziert wurde. Als Angriff auf Ehre und Existenz des Betroffenen verlangten Verfluchungen eine innerdörfliche Schlichtung oder eine gerichtliche Entscheidung, als Schadenszauber wurden sie häufig im Kontext von Hexenverfolgungen denunziert und hart bestraft. Fluch und Eid sind weder epochen- noch konfessionsspezifisch, sie verklammern vielmehr Spätmittelalter und Frühe Neuzeit und sind offenbar dem Christentum in allen seinen Denominationen eigentlich. Erst die aufklärerische Kritik deklariert die Anrufung Gottes zum Zeugen in menschlichen Belangen als Ausdruck eines rohen Gottesbildes und als Aberglauben, erst im 18. Jahrhundert verflacht das

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1993

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