Hand aufs dekonstruierte Herz
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Am Anfang war alles klar: Wir waren Frauen, und Frauen gemeinsam sind stark. Wir wurden nicht als Mädchen geboren, aber dazu gemacht. Wir hatten ein „Wir“, und wir hatten auch ein „Ich“, ein weibliches, mit dickem Ausrufezeichen. Dann aber begann die Entdeckung der großen Unterschiede. Die Realitäten fielen auseinander, die Geschlechter lösten sich auf und mit ihnen Identitäten und Selbstverständnisse. Heute steht am postfeministischen Firmament die milchigtrübe Frage „Was, bitte ist eine Frau?“ Was also hat die Dekonstruktion der Geschlechterrollen, der Geschlechtsidentitäten, der Zweigeschlechtlichkeit gebracht? Was hat die Frauenbewegung im Zeitalter des Postfeminismus erreicht? Alles, sagen die einen: sie ist am Ziel, Schluss mit dem Essentialismus. Jedenfalls nur noch eine Frage der Zeit, dass das weibliche Geschlecht keinerlei Benachteiligung mehr erfahre. Das Patriarchat ist zu Ende. - Alles dasselbe in Grün!, entgegnen die anderen, Kampf der Zweigeschlechtlichkeit! Die Perspektive bestimmt, wie die Veränderungen bewertet werden, die Bewertungen scheinen kaum mehr gegenseitig vermittelbar zu sein, aus so unterschiedlichen Perspektiven, mit so unterschiedlichen Schlüssen werden sie vorgenommen. Die Lebensgefühle, die neuen Gender-Existenzen sind so verschieden wie die Meinungen. Komplexe Verhältnisse, widerspruchsvolle Lagen, tragische Heldinnen allerorten. Der vorliegende Band macht mit selbstironischem Augenzwinkern Mut, sich ein Herz zu nehmen - auch wenn es dekonstruiert ist -, und „im Zeitalter nach Butler“ zum Fragen und Wollen zurückzufinden. Weil es in den versammelten Aufsätzen um zentrale Fragen des politischen und persönlichen Selbstverständnisses geht. Und weil die hergebrachten Vorstellungen über Geschlecht, Identität und soziale Bewegung nicht zuletzt durch den feministischen Dekonstruktivismus ihre Selbstverständlichkeit verloren haben, ist dies auch eine Selbstbefragung. Die Autorinnen gehen vor dem Hintergrund ihrer politischen Erfahrungen und Beobachtungen der Frage nach, inwieweit die Thesen der Dekonstruktion produktiv und beflügelnd sind und inwieweit sie lähmen und in die Irre führen. Die Methode Hand aufs Herz, die beim Schreiben zur Anwendung kam, war die beständige Aufforderung an sich selber, neue wie alte politische Korrektheiten und herrschende Meinungen beiseite zu schieben und zu sagen, wie sich die Lage in der eigenen Sicht darstellt. Natürlich ist das Lesepublikum eingeladen, mit zu reflektieren. Denn es ist nicht so, dass alles zu kompliziert geworden wäre.
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