Der Gott im Unbewussten
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Unsere Epoche ist durch Naturalismus, Atheismus und Relativismus gekennzeichnet. So wird es heutzutage zunehmend schwierig, sich an allgemein verbindlichen Werten zu orientieren. Woran aber soll ich mein Leben ausrichten, wenn die Wahrheit stets relativ und Gott tot ist? Wenn ich wissen will, wo ich stehe, lenke ich in der Regel meinen Blick auf die sog. Fakten. Bei genauem Hinsehen jedoch erweisen sich die unbewussten Aspekte des Lebens als ebenso wirkmächtig wie die bewussten. Auch der verdrängte und ins Unbewusste abgeschobene, allgemein für tot gehaltene Gott wirkt sich auf subtile Art und Weise aus. So glauben viele von uns insgeheim unbewusst an Gott als eine höchste Instanz der Wahrheit, als das Ganze der Existenz, wie wir von Jung, Lacan, Frankl und vielen anderen erfahren. Gott ist nicht tot. Gott ist unbewusst. Der Mensch ist unbewusst immer auf ein absolutes Gegenüber ausgelegt, hat strukturell grundsätzlich eine „Vertikalspannung“ (Sloterdijk) in sich. Mit dem vermeintlichen Siegeszug des Atheismus haben eine Reihe von Ersatzgöttern den göttlichen Thron bestiegen: Vernunft, Naturalismus, Materialismus, Evolution, Markt oder Internet z. B. fungieren nun als oberste Wahrheits- und Orientierungsinstanz. Dabei gerät zumeist das (eigene) Böse aus dem Blick, wird ignoriert und verdrängt – und auf andere projiziert. So wie Gott stets der „liebe“ war, soll nun das Leben vollkommen und gut sein. Aber nur im vollständigen, gut und böse gleichermaßen umfassenden Leben kann er sich an einer höchsten („göttlichen“) Wahrheit ausrichten, die er unbewusst ja ohnehin in sich trägt. Moralisches Handeln liegt vor, wenn der Mensch beginnt, sich selbst zu erkennen.