Erebus
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TIROLER GEGENWARTSLITERATUR 1844 Erebus Die verrücktesten Dinge kann man nur zähmen, indem man ihnen einen Namen gibt. Die Griechen haben für skurrile Vorgänge jeweils einen Gott installiert. Gott Erebus ist seither für die Finsternis zuständig und dadurch ein idealer Namensspender für einen Verlag in der Provinz. Lina Hofstädter nennt ihren kulturspezifischen Schalk-Roman ohne Gattungsbezeichnung einfach Erebus, statt eines Lesezeichens oder Verlagsprospektes ist freilich ein „schmucker“ Lyrikband beigelegt, in welchem 26 Krähengedichte nach Befreiung schreien. Nach einer etwas augenzwinkernder Definition ist ein Gedicht nämlich ein Stück Text, der hinten ausgefranst ist, worin ein Vogel vorkommt und der durch Lesen befreit werden muss. Lina Hofstädters Gedichte können sich sehen lassen, gerade weil sie scheinbar absichtslos sind und sich mit Ironie selbst durch die Wallungen der Germanisten tragen. Diese Beilage ist mehr als nur ein nettes Gadget. Im Roman Erebus geht es um nichts anderes, als Kunst als Beilage für finstere Geschäfte. Denn schon die Grundstory des Romans ist eine Nahezu perverse Annahme: In der Provinz gibt es einen Lyrikverlag, der jeweils per Subskriptionsverfahren tausend Stück sinnloser Lyrik produziert und an provinzielle Halbgrößen ausliefert. Ziemlich unschuldig kommt die Volkskundlerin Patrizia zum finsteren Verlag, sie ist in der Hauptsache damit beschäftigt, bei der Mama zu wohnen und ihr fallweise gute Partien wie in einer Vorabendserie vorzustellen. Im Mittelpunkt stehen dabei gute Manieren, edler Dress-Code und melodiöse Sprechweise, alles beste Voraussetzungen für einen Einstieg in den Lyrikverlag. In der Folge geraten wir Leser in einen Filz von biederen Kulturmenschen, die alles andere im Schädel haben als Kunst. In der Provinz spielt sich alles über ein primitives Netzwerk ab, ob in den digitalen Medien oder auf der nächstbesten Straßenkreuzung. Alles ist voller Gerücht und Getratsche, so dass man die darin eingebunkerten Gedichte gar nicht mehr als solches erkennt. Diese wundervolle Analyse des lyrischen Literaturbetriebs ist an und für sich schon Erhellung genug, Lina Hofstädter setzt dem aber noch eines drauf, indem sie die weit verbreitete Krimitis zum Ausbruch bringt. In das literarische Gehabe von Hohl und Schön, Sein und Schein ist dann noch ein handfester Kriminalfall eingepackt, der aber den Krimispielregeln gemäß nicht durch Rezensionen aufgeklärt werden darf. Lina Hofstädter setzt den Zeitgenossen in den peripheren Bundesländern ein ironisches Kultur-Geweih auf, ohne sich dabei herabwürdigend über diesen Mief zu äußern. Erebus ist eins wunderschönes Spiel, wer es weiß ist klug, würde Arthur Schnitzler sagen. Lina Hofstädter: Erebus. Beilage 26 Krähengedichte. Innsbruck: TAK 2015. 151 Seiten. EUR 21,-. ISBN 978-3-900888-60-2. Lina Hofstädter, geb. 1954 in Lustenau, lebt in Sistrans. Helmuth Schönauer 10/12/15
Parameter
- ISBN
- 9783900888602