Die Entscheidung
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Eigenen Angaben nach begann Anna Seghers 1954, diesen Roman zu schreiben. Nach Unterbrechungen durch Krankheiten oder andere literarische Projekte nahm sie die Arbeit 1957 wieder auf und beendete sie Ende 1958. Als „Die Entscheidung“ 1959 erschien, polarisierte das Buch die Rezeption im Osten und im Westen, wenn sie das Ergebnis einer einseitigen, vom Kalten Krieg diktierten Lesart war. Diese Edition, die auf der Erstauflage des Aufbau-Verlages basiert, bietet mit einem ausführlichen Anmerkungsapparat, der zeitgeschichtliche Bezüge des Textes erläutert, die Basis für eine Neubewertung. Dazu gibt der Kommentar aufschlußreiche Einblicke in den Entstehungsprozeß des Romans, dessen erste Spuren auf die Zeit der Rückkehr von Anna Seghers aus dem mexikanischen Exil verweisen. Anders als bei ihren früheren Werken sind zu diesem ersten Nachkriegsroman der Autorin zahlreiche Zeugnisse der Manuskriptgeschichte erhalten: handschriftliche Notizen, Entwürfe, Typoskripte, inhaltlich und stilistisch immer wieder überarbeitete Manuskriptvarianten und Korrekturen. Es gibt interessante Belege für die detaillierten historischen und regionalen Recherchen, mit denen sich Anna Seghers in den ihr fremden Stoff einzuarbeiten versucht. Die Intensität und Akribie dieser jahrelangen Arbeit widerlegen die Behauptung zeitgenössischer Kritiker, daß Anna Seghers diesen Roman als Auftragsarbeit oder Pflichterfüllung abgetan habe. Um drei ehemalige Spanienkämpfer, die sich seit ihrer Verwundung aus den Augen verloren haben, verzweigt Anna Seghers ein breit angelegtes Handlungsgeflecht mit unterschiedlichen Schauplätzen. Alle ihre Figuren sind von der Tragödie der geteilten Welt in der Nachkriegszeit erfaßt. Der Konflikt dringt in jedes private Schicksal ein und fordert Entscheidungen. Wie Anna Seghers diese inneren und äußeren Kämpfe in ihren menschlichen Dimensionen beschreibt, gehört zu der zeitlosen Qualität dieses Romans. Als er 1959 erschien, wurde er im Westen heftig kritisiert und im Osten hochgelobt. Den einen galt er als Staatsdichtung, den anderen als gelungener Bericht über die Aufbau-Jahre der DDR. Befreit man den Roman aus dem Kontext des Kalten Krieges, treten Motive in den Vordergrund, die aus der gesamtdeutschen Trümmerliteratur bekannt sind: Bilder von einem Land, das durch Nationalsozialismus und Krieg schwer beschädigt wurde, von Menschen, die mit dem zähen Mut der Verzweiflung nach einer neuen Lebensperspektive suchen.