Die große flucht
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\"Wer Wind sät, wird Sturm ernten\". Der Orkan, den die Nationalsozialisten verursachten, fegte Millionen Menschen aus den ehemaligen deutschen Ostgebieten. Eine durch die NS-Propagandamaschinerie genährte Furcht vor der Roten Armee führte Ende des Zweiten Weltkriegs zur massenhaften Flucht gen Westen. Die Verluste an Menschenleben waren enorm, dennoch schien Das Schicksal der Vertriebenen (zu) lange eine historische Randerscheinung zu sein. Vielleicht deshalb, weil man leicht ins verhängnisvolle gegenseitige Aufrechnen verfallen kann, nach dem Schema: \"Die Nazis haben zwar das, die Russen dafür aber jenes begangen\". Tatsächlich ist der Horror dieser Zeit auf beiden Seiten noch sehr lebendig, und dessen ist sich Guido Knopp, Leiter der ZDF-Redaktion Zeitgeschichte, auch wohl bewusst. In seinem neuen Buch Die große Flucht , das zeitgleich zur Ausstrahlung der gleichnamigen fünfteiligen Fernsehserie erscheint, versucht Knopp, sich der Vertreibung sowohl aus russischer als auch aus deutscher Sicht zu nähern und ihren Hintergründen auf die Spur zu kommen. Wer frühere Knopp-Bücher wie Hitler. Eine Bilanz oder Hitlers Helfer kennt, kennt auch die Vorgehensweise des ZDF-Chefhistorikers: Emotionale Augenzeugenberichte unterfüttern die geradlinige Darstellung der historischen Ereignisse. Dass Knopp seine Leser kaum mit Quellenangaben \"belästigt\", wird nur wenige stören. Viele hingegen werden von den Berichten derjenigen, die \"dabei waren\", berührt sein. Die Torpedierung der überfüllten Wilhelm Gustloff wird ebenso plastisch in Erinnerung gerufen wie die Flucht über das Frische Haff oder die Deportationen Richtung Sowjetunion. Dieser \"menschelnde\" Ansatz Knopps ist altbewährt -- verjüngt präsentiert sich hingegen die Optik des Buches, vielleicht eine Folge des Konkurrenzdrucks. Immerhin war die ARD mit K. Erik Franzens Die Vertriebenen. Hitlers letzte Opfer diesmal schneller als der Mann aus Mainz. Beide Bände haben sich um die Aufklärung eines vernachlässigten Geschichtskapitels verdient gemacht. --Joachim Hohwieler