Gesühnt
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Der Kurierzug war angekommen; Omnibusse standen bereit, die Aussteigenden nach den Gasthöfen der kleinen Hafenstadt zu bringen; aber es war erst Mitte Mai, der Zuzug nach dem nahegelegenen, vielbesuchten Ostseebade hatte noch nicht begonnen und beinahe leer rasselten die Wagen nach der Stadt zurück. In einem derselben, der die Aufschrift »Zum goldenen Anker« trug, saßen nur zwei Damen in Trauer. Die ältere, eine zarte Gestalt mit feinem, blassem Gesicht, lehnte sichtlich erschöpft zwischen Plaidbündeln und Reisetaschen, während die jüngere, ein schönes, blondes Mädchen, bald rechts, bald links aus dem Fenster sah. Endlich wendete sie sich zu ihrer Gefährtin und sagte: »Mütterchen, sieh nur, wie hübsch es hier ist wie still und freundlich: so recht zum Gesundwerden. Ganz heimisch mußt du dich hier fühlen.« Die blasse Frau fuhr auf. »Heimisch fühlen!« wiederholte sie, und in die mattblauen Augen kam ein Ausdruck der Angst; »was willst du damit sagen?« »Mein armes Mütterchen, wie nervös du noch immer bist!« antwortete das junge Mädchen, indem sie sich vorbeugte und die Hand der Mutter liebkosend zwischen ihre beiden Hände nahm. »Ich meinte nur, die breiten Straßen mit den kleinen, weißen Häusern, vor denen hin und wieder Bäume stehen, müßten dich an unsere Wohnung in Hoboken erinnern.«