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Kritik der öffentlichen Meinung

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Mit seiner „Kritik“ hat Tönnies nicht nur eine der umfassendsten und differenziertesten Studien der „angewandten“ Soziologie vorgelegt, sondern zugleich einen Text, der inzwischen zum Klassiker im Themenbereich öffentlicher Meinung aufgestiegen ist. Hatte er mit „Gemeinschaft und Gesellschaft“ (1887) die Begriffsarchitektur seiner „reinen“, das heißt, der theoretischen Soziologie entwickelt, so gilt die „Kritik der öffentlichen Meinung“ (1922) als Musterbeispiel seiner „angewandten“ Soziologie, in der es ihm um die Analyse der kommunikativ begleiteten Dynamik des Werdens, des Geworden-Seins und des Vergehens sozialer Wesenheiten geht. In der „Gesellschaft“ der Neuzeit übernimmt die öffentliche Meinung jene regulierende Kraft, die in der „Gemeinschaft“ der Vormoderne die Religion innehatte. Tönnies stellt nicht nur den Begriff der öffentlichen Meinung dem der Religion, sondern, durchaus aktuell, dem der Stimmung gegenüber. Während Volksstimmungen und -gefühle impulsiv, dumpf und undifferenziert sind, ist öffentliches Meinen aufgrund seines rationaleren Charakters durchsichtig, nachvollziehbar und kritikfähig. Zwei Ausprägungen der öffentlichen Meinung unterscheidet Tönnies. Die erste tritt als Pluralität veröffentlichter Meinungen, als „Konglomerat mannigfacher und widersprechender Ansichten, Wünsche und Absichten“ in Erscheinung; die zweite als „einheitliche Potenz, als Ausdruck gemeinsamen Willens“. Sie äußern sich in drei Aggregatzuständen, die er für „das soziale und ökonomische Gebiet“, „das politische und rechtliche Gebiet“ und „das geistige und sittliche Gebiet“ jeweils präzisiert als luftartig, flüssig und fest. Das Ganze seiner Argumentation ist eingebettet in eine sprachanalytische Theorie der Zeichen- und Wortbedeutungen, wie er sie zuvor in anderen Schriften entfaltet hat.

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