Als Heimito von Doderer im Jahr 1966 siebzigjährig starb, schien es, als wäre der österreichischen Literatur ihr personelles Zentrum verlorengegangen. Nachdem er in der Zwischenkriegszeit noch vergebens versucht hatte, sich als Romancier einen Namen zu machen, wurde er nach dem Zweiten Weltkrieg auf einen Schlag zur nationalen Berühmtheit. Sein Durchbruchsroman Die Strudlhofstiege knüpfte dabei ebenso wie der ästhetisch gewagtere Kurzroman Die erleuchteten Fenster (beide 1951) an die untergegangene Welt des alten Österreich an. Das Opus magnum Die Dämonen (1956), an dem der Schriftsteller durch drei Jahrzehnte gearbeitet hatte, setzte dieses Programm erfolgreich fort, kann jedoch wenigstens heute seine fragwürdigen ideologischen Wurzeln nicht verleugnen. Anerkennung bei den Avantgardisten verschaffte Doderer sich mit dem durch seine Brachialitäten überraschenden Text Die Merowinger (1962). Zuletzt folgte 1963 mit den Wasserfällen von Slunj der Auftakt zu einer Tetralogie, die freilich unvollendet bleiben musste. Der vorliegende Band interpretiert die fünf Romane, die Doderers späten Ruhm begründet und gefestigt haben, neu und gewinnt jedem von ihnen einen frischen, bislang unentdeckten Sinn ab.
Stefan Winterstein Reihenfolge der Bücher
Stefan Winterstein, geboren in Wien, hat Germanistik und Philosophie studiert. Er verbindet seine Forschung in der Literaturwissenschaft und seine Tätigkeit als Redakteur mit einer aktiven Mitgliedschaft in der Heimito von Doderer-Gesellschaft. Seine Arbeit konzentriert sich auf ein tiefes Verständnis von Literatur und ihrem kulturellen Kontext. Er bringt seine Erkenntnisse in die redaktionelle Arbeit und in die akademische Welt ein und bereichert so den literarischen Diskurs.






- 2016
- 2016
„Ich ertappe mich dabei, Triviales, das sprachlich einwandfrei ist, lieber zu lesen als Kluges, das vor Fehlern strotzt. Warum bloß erinnern mich fehlerhafte Texte oft an jenen Verliebten aus dem berühmten Loriot-Sketch, der bei seiner Liebeserklärung eine Nudel im Gesicht kleben hat?“ Der Germanist Stefan Winterstein geht dem Verdacht auf den Grund, es sei heute um die deutsche Rechtschreibung nicht allzu gut bestellt, und entwirft ein ganzes Panorama an denkbaren Ursachen. Dahinter aber versucht er die noch grundlegendere Frage zu beantworten, was dieser eigentümliche Apparat Rechtschreibung eigentlich ist. Rechtschreibung ist in aller Munde, aber womöglich in kaum jemandes Kopf, sie wird ignoriert, verachtet und belächelt, unreflektiert hingenommen und mit Inbrunst verteidigt. Doch was ist sie, wozu dient sie und wie funktioniert sie, was sollte oder könnte sie sein? Eine Annäherung an ein heikles Thema, nicht ohne Skrupel, mit Humor und Selbstironie – und mit überraschenden Einsichten.
- 2014
Versuch gegen Heimito von Doderer
- 224 Seiten
- 8 Lesestunden
Der Autor greift die in Vergessenheit geratene Ideologiekritik wieder auf, die in den 1970er Jahren versucht hat, den österreichischen Literaturkoloss Heimito von Doderer vom Sockel zu stoßen. Er problematisiert die konservativen Einschlüsse in dessen Romanwerk und stellt die von der Doderer-Forschung mühsam gezogene Grenze zwischen Konservatismus und faschistischer Verführung in Frage. Die Grundlage der Studie bildet eine Untersuchung der Schreckensfigur des Pedanten, die im 20. Jahrhundert in Menschen wie Eichmann oder Himmler in Erscheinung getreten ist. Doderer thematisiert das Pedanterie-Problem zur selben Zeit. Wie die Betrachtung des Romanwerks ebenso wie die überfällige Besichtigung seines Essays „Sexualität und totaler Staat“ zeigt, blieb jedoch das Unbehagen an der Zeitgeschichte und der persönlichen Verstrickung folgenlos – es mündete in die Verdrängung. Das literarische Werk hat an diesem Versäumnis Schaden genommen. Der hier vorgelegte Versuch, Doderer gegen den Strich zu lesen, ist ungnädig, aber nicht unversöhnlich.
- 2010
- 2009
"Er las nur dieses eine Buch"
- 527 Seiten
- 19 Lesestunden
Erschienen 1951, fristete Doderers Kurzroman um Julius Zihal, einen Amtsrat mit einer ungewöhnlichen erotischen Manie im Ruhestand, lange ein Schattendasein. In den letzten Jahren rückt die skurrile Geschichte zunehmend in den Fokus der Literaturwissenschaft. Der fünfte Band der Schriften der Heimito von Doderer-Gesellschaft bilanziert aktuelle Forschungsergebnisse und ergänzt sie um weitere Beiträge zu diesem komplexen Text. Die Aufsätze untersuchen motivische Zusammenhänge, textliche und geistesgeschichtliche Quellen sowie werkgenetische Verhältnisse. Die Beiträger beleuchten den raumkonzeptuellen Kontrast zu Doderers Großstadtromanen, analysieren den Roman als erzählte Poetologie und betrachten ihn als Höhepunkt einer latenten Bürokratie-Satire. Ein Essay über Übersetzungsprobleme und eine spekulative Lektüre als Medienkritik runden den Band ab. Zudem wird eine Debatte über die experimentelle Dramatisierung am Wiener Schauspielhaus (2008) thematisiert, ergänzt durch ein Werkstattgespräch mit Darstellern und Projektleiterin. Der Band enthält zahlreiche Illustrationen von David Ramirer und bietet eine umfassende Bibliographie zur Sekundärliteratur.
- 2003